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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Arbeitszimmer. Plötzlich habe ich laute Stimmen gehört. Als ich ins Wohnzimmer kam, war es schon vorbei. Zumindest hatte das Geschrei aufgehört. Aber etwas war zwischen Ihnen beiden vorgefallen, und der Streit war nicht beigelegt. Amanda war auf dem Weg nach draußen. In der Tür hat sie sich noch einmal umgedreht.
    Ich werde keine Sekunde zögern, sagte sie. Sie waren fürchterlich aufgeregt. An dem Abend hatten Sie einen Anfall. Ich musste Sie zur Notaufnahme bringen. Sie haben sich geweigert, Ihre Valium zu nehmen. Der Arzt musste Ihnen eine Beruhigungsspritze geben.
    Ich kann mich an nichts davon erinnern.
    Ja, das weiß ich. Am nächsten Morgen wollten Sie unbedingt zu Amanda gehen – um Neuigkeiten auszutauschen, sagten Sie, denn Sie hätten sich eine ganze Weile nicht gesehen. Ich habe so getan, als würde ich bei Amanda anrufen, und Ihnen gesagt, sie sei nicht zu Hause.
    Und ich bin darauf reingefallen?
    Ja. Der vorangegangene Nachmittag war das letzte Mal, dass wir Amanda gesehen haben. Da lebte sie noch – man hat rekonstruiert, was sie danach noch gemacht hat. Sie ist zum Drugstore gegangen und anschließend zum Supermarkt. Aber vom nächsten Tag an hat sie ihre Tribune morgens nicht mehr hereingeholt, und eine Woche später hat Mrs Barnes nach ihr gesehen und die Leiche entdeckt.
    Haben Sie das alles der Polizei erzählt?
    Ja, mehrmals.
    Und warum wollen die mich dann sprechen? Ich kann denen doch sowieso nichts sagen.
    Sie geben einfach nicht auf. Vor allem, seit sie Ihren Skalpellgriff und die Klingen gefunden haben. Ihre Anwältin sagt, sie hoffen, wenn sie nur oft genug und auf immer wieder andere Weise fragen, bekommen sie andere Antworten von Ihnen.
    Hat nicht jemand mal gesagt, dass das der Inbegriff des Wahnsinns ist? Immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten?
    Na ja, manchmal erinnern Sie sich ja doch an etwas. Und überraschen uns alle. So wie neulich. Da haben Sie mich aus heiterem Himmel nach meinem Ellbogen gefragt – der, den ich mir verletzt habe, als ich auf dem Gehweg gestürzt bin. Das war ein paar Tage vorher passiert, aber Sie waren bei klarem Verstand, Sie wussten noch, dass Sie meinen Ellbogen untersucht und festgestellt haben, dass nichts gebrochen war. Einer der Vorteile, wenn man für eine Ärztin arbeitet – ganz besonders, wenn man so eine schlechte Krankenversicherung hat wie ich.
    Das ist mir alles wieder entfallen. Erinnerungen kommen und gehen. Wie heißen Sie zum Beispiel?
    Magdalena. Schauen Sie mal, es steht hier. Auf dem Pappschild.
    Wie lange sind Sie schon hier?
    Ich habe vor fast genau acht Monaten bei Ihnen angefangen. Im vergangenen Oktober. Kurz vor Halloween.
    Ich liebe Halloween.
    Ich weiß. So viel Spaß wie mit Ihnen hatte ich nicht mehr, seit meine Kinder klein waren. Sie wollten, dass wir uns beide verkleideten. Als Hexen. Das einzige würdige Kostüm für alte Schachteln, haben Sie gesagt. Sie haben das ganze Haus geschmückt. Sie haben die Sorte Süßigkeiten gekauft, um die die Kids sich prügeln und die sie nie tauschen. Und Sie haben darauf bestanden, selbst die Tür aufzumachen und die Kostüme der Kinder zu bewundern. Sie haben mich wirklich überrascht. Es war die erste von vielen weiteren Überraschungen.
    Ja, ich finde Halloween großartig. Überhaupt die Jahreszeit, den Herbst. Eine berauschende Zeit. So leidenschaftlich. Die anderen Jahreszeiten sind so langweilig. Der Herbst bringt Gelegenheiten für Veränderung. Echte Veränderung. Möglichkeiten tun sich auf. Keine Spur von den Frühlingsklischees– Erneuerung und Erlösung. Nein. Der Herbst ist düsterer, ursprünglicher und bedeutungsvoller.
    In der Nacht sind Sie bis drei Uhr morgens auf und ab gegangen. Aber es war nicht schlimm. Es war das erste Mal, dass ich Sie das habe tun sehen. Auf und ab, die ganze Nacht. Ich bin in meinem Sessel im Wohnzimmer eingeschlafen. Sie haben sich irgendwann aufs Sofa gelegt. Wir hatten beide noch unsere Kostüme an.
    Es hat mir schon immer Spaß gemacht, mich zu verkleiden. Süßigkeiten zu verteilen. Für eine Nacht in das zu mir passende Kostüm zu schlüpfen.
    Ja, das Kostüm passte wirklich zu Ihnen. Die weiße Bühnenschminke, die schwarzumrandeten Augen, die lange, graue Perücke, die Ihnen bis über die Schultern reichte. Das künstliche Muttermal rechts neben Ihren Lippen hat Ihre

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