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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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hohen Wangenknochen betont. Ein Dornröschen der besonderen Art, aber auf jeden Fall eine Schönheit. Sie haben die Augen aufgeschlagen und mich erwischt, wie ich Sie beobachtete. Die Nacht der Ausschweifungen, haben Sie geflüstert.
    M ark ist guter Dinge. Das erfreut das Mutterherz nicht. Es macht es argwöhnisch. Die Euphorie. Die Redegewandtheit. Das übertriebene Lob für das fade Eiersalat-Sandwich, das Magdalena uns zum Mittagessen vorgesetzt hat. Seine Bemerkung über die Farbe der Wohnzimmervorhänge, die genauso leuchtendrot sind wie immer. Sein Wunsch, sich einmal richtig mit mir auszusprechen.
    Wie geht’s dir, Mom?
    Wie viel willst du?, frage ich.
    Er zögert nicht. So viel du mir geben kannst.
    Steht es so schlimm?
    Schlimmer.
    Du bist ja ausnahmsweise mal sehr direkt. Liegt es daran, dass du bekifft bist?
    Möglich. Aber in einem anderen Zustand kann ich dich nicht ertragen.
    Du wirst dich an deine Schwester wenden müssen.
    Hä?
    Ich habe nicht mal mehr ein Scheckheft. Auch wenn ich gern eins hätte. Fiona kümmert sich um alles.
    Aber du kannst doch wohl einen Scheck ausstellen.
    Ich habe keinen einzigen, den ich ausstellen könnte. Fiona war sehr gründlich.
    Du hast mir doch noch vor einem halben Jahr einen Scheck ausgestellt.
    Ja. Ich hatte ein altes Scheckheft in meinem Schreibtisch gefunden. Kaum hattest du den Scheck eingelöst, hat Fiona alle meine Schreibtischschubladen durchsucht und das Scheckheft konfisziert.
    Das Miststück.
    Ganz der Vater.
    Du sagst es.
    Er klopft mit den Fingern einen beinahe vertrauten Rhythmus auf den Tisch. Da-da-da de-de-da da- DA -da-dada.
    Du bist heute ganz schön auf Draht.
    Ja.
    Interessant, wie das kommt und geht.
    Wir sitzen im Arbeitszimmer, weil die Putzfrauen hier sind. Die haben uns aus dem Wohnzimmer und der Küche verbannt, wo wir uns normalerweise aufhalten, und wir hören das näher kommende Dröhnen des Staubsaugers, das Klappern von Schrubbern und Eimern, während sie sich zum letzten Zimmer vorarbeiten.
    Ich frage mich, ob du dich morgen überhaupt noch an dieses Gespräch erinnern wirst. Mark steht neben dem Fernseher und geht James’ DVD -Sammlung von Filmklassikern durch. Es gab keinen Film Noir, den James nicht auswendig kannte.
    Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Kommt drauf an, sage ich. Ich sehe, wie Mark Du rififi chez les hommes herauszieht, sich dann aber für White Heat entscheidet.
    Dann sollte ich also besser nichts sagen, was mir nachher leidtut? Er öffnet die Plastikhülle, nimmt die silberne Scheibe heraus, steckt den Finger in das Loch in der Mitte und lässt die Scheibe kreisen.
    Das hängt davon ab, aus welchem Grund es dir leidtun würde. Würde es dir leidtun, weil es gemein oder abscheulich war, oder würde es dir leidtun, weil ich mich daran erinnern würde, dass du es gesagt hast?, frage ich ihn.
    Wahrscheinlich Ersteres. Normalerweise bedaure ich nichts, was kein Nachspiel nach sich zieht. Er lächelt über seine Worte, legt die DVD auf den Fernseher und setzt sich. Und du?, fragt er. Gibt es irgendetwas, das du bedauerst? Obwohl sein Ton höhnisch ist, habe ich das Gefühl, dass er es wirklich wissen will.
    Ich war das Gegenteil von dir. Ich habe mich in meinen Entscheidungen nie davon beeinflussen lassen, dass es ein Nachspiel geben könnte.
    Und deine Entscheidungen als Ärztin? Hat es dich nicht belastet, dass deine Entscheidungen bestimmte Auswirkungen haben könnten? Wie zum Beispiel … den Tod? Sein düsteres Gesicht ist übertrieben ernst. Er ist darauf aus, mich zu überrumpeln. Aber das lasse ich nicht zu.
    So etwas ist eine Folge. Das ist etwas anderes als ein Nachspiel.
    Ich hatte die beiden Wörter immer für Synonyme gehalten, sagt er.
    Es gibt Nuancen, sage ich. Das Gespräch gefällt mir immer besser. Alles ist besser als ein weiterer endloser, inhaltloser Plausch beim Tee mit Magdalena. Ein Nachspiel beinhaltet die Nuance der Strafe, sage ich. Eine Folge ist nichts weiter als ein Ergebnis. Man tut etwas, und darauf folgt etwas. Ursache und Wirkung.
    Und warst du immer zufrieden mit … den Folgen … deiner Handlungen?
    Mit einigen meiner Operationen war ich natürlich nicht zufrieden– es waren sehr wenige, aber es ist vorgekommen. Aber ich hatte die gemäß den Umständen beste Entscheidung getroffen. Es waren keine Fehler. Es waren Entscheidungen, die Folgen hatten.
    Mark

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