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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Mailuft. Dann hörte ich erregte Stimmen. Peter und Amanda. Sie waren so aufeinander konzentriert, dass sie mich nicht bemerkten.
    Diesmal bist du zu weit gegangen, sagte Peter. Obwohl er leise sprach, war nicht zu überhören, dass er wütend war.
    Ich habe nichts getan … Amandas Stimme klang kühl und kontrolliert.
    Nichts? Es kommt nicht vor, dass du nichts tust. Nie. Und jetzt lügst du auch noch. Nicht genug, dass du so grausam bist. Wie gesagt, diesmal bist du zu weit gegangen.
    Der Mond schien so hell, dass ich ihre Gesichter sehen konnte. Beide drückten gerechten Zorn aus. Ein Krieg zwischen zwei Racheengeln.
    Es wird Zeit, dass James erfährt und begreift, dass seine kleine Familie ein paar Anomalien aufweist, einige … unbekannte Größen. Dass er ein Kuckucksei in seinem Nest hat. Dass er ein Hahnrei ist. Dass nicht nur er fremdgegangen ist. Er hielt Fionas Hand. Scherzte darüber, dass sie eigentlich nicht seine Tochter sein könne, weil sie so gar nicht nach ihm komme. Es war die perfekte Gelegenheit, auf die ich lange gewartet habe. Eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Die Wahrheit musste raus.
    Und du hast lediglich der Wahrheit dazu verholfen, dass sie ans Licht kam?
    Ich habe nichts gesagt. Ein Blick genügte. Mehr brauchte James nicht. Er hatte es doch sowieso längst geahnt. Wie auch nicht?
    Also hast du doch gelogen, als du gesagt hast, du hättest nichts getan.
    Peter konnte seine Stimme kaum beherrschen, und er atmete schwer. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Gewöhnlich war er viel zu träge, als dass man ihn erzürnen konnte. Der schlafende Riese.
    Ich lüge nie. Schließlich habe ich kein Wort gesagt. Nicht ein einziges. Also nein. Ich lüge nie.
    Im äußersten Notfall schon.
    Was soll das denn heißen?
    Es heißt, wenn es dir wirklich wichtig ist, wenn es darum geht, dich vor irgendwelchen unerträglichen Konsequenzen zu schützen, bist du genauso wie wir gewöhnlichen Sterblichen.
    Nenn mir eine Gelegenheit, bei der ich dich belogen habe. Eine. Abgesehen von diesem angeblichen Zwischenfall.
    Dazu muss ich fünfzig Jahre zurückgehen. Peter war jetzt ruhiger, er hatte sich wieder unter Kontrolle. Er sprach mit Nachdruck. Die Philosophieklausur 1959, sagte er.
    Schweigen. Amanda rührte sich nicht. Ich hörte nur die Verkehrsgeräusche von der Fullerton Avenue.
    Woher weißt du davon?
    Ich habe damals als wissenschaftliche Hilfskraft für Professor Grendall gearbeitet. Ich wartete vor seinem Zimmer. Die Tür stand halb offen. Und du hast alles geleugnet. Dass du gemogelt hast, dass du abgeschrieben hast. Da hast du gelogen.
    Natürlich habe ich gelogen. Es war unumgänglich.
    Nachdem du weg warst, ist Professor Grendall herausgekommen. Als er mich gesehen hat, hat er den Kopf geschüttelt und gesagt: Was für eine Frau. Was für eine Ellbogenmentalität. Sie wird es mal weit bringen.
    Und was hast du erwidert?
    Sehen Sie sich vor. Sie reden über meine Zukünftige.
    Das heißt, als du mich ein paar Monate später auf dem Campus angesprochen hast …
    Da hatte ich mich längst entschieden.
    Stille. Amanda trat einen Schritt zurück und ergriff eine der Spitzen des schmiedeeisernen Gartenzauns.
    Tja. Auf jeden Fall weißt du, wie man eine Auseinandersetzung gewinnt.
    Es ging mir nicht ums Gewinnen.
    Dann kam der Peter, den ich kannte, wieder zum Vorschein. Seine Schultern entspannten sich, und er fuhr sich mit der Hand durchs Haar– eine Friedensgeste, die er Amanda gegenüber oft einsetzte.
    Nein, das hat für dich nie eine Rolle gespielt. Ich sah, wie ihre Finger sich vom Zaun lösten. Auch sie griff sich an den Kopf, aber eher, als hätte sie Kopfschmerzen.
    Also, warum hast du es getan?, fragte Peter. Warum hast du ihn mit der Nase auf … die nicht ganz eindeutige Vaterschaft gestoßen? Auf Jennifers einzigen Fehltritt? Auf etwas, das alle anderen seit neun Jahren wissen. Wie gesagt, du lügst nur im äußersten Notfall. Also, was ist los?
    Wieder war nur das Verkehrsrauschen zu hören.
    Peter sprach jetzt langsamer. Arbeitete sich zur Wahrheit vor.
    Die Party. Es hatte mit der Party zu tun. Aber was? Wir feiern – das ist schön. Und wir ehren deine beste Freundin. Du hast James geholfen, die Party zu organisieren. Und sie ist ein voller Erfolg. Ich habe Jennifer selten so glücklich erlebt. Es ist nicht leicht, ihr eine

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