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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Freude zu machen. Aber du hast es geschafft. Das kann dir nicht entgangen sein. Wie liebevoll Jennifer und James miteinander umgehen. Mark strahlt vor Stolz auf seine Mutter, ein Wunder in seinem Alter. Fiona mischt sich tapfer unter die Leute und läuft nur manchmal schutzsuchend zu Jennifer oder James. Also, was ist es?
    Amanda war wie versteinert. Sie würde ihm nicht auf die Sprünge helfen.
    Peter hörte auf, sich durchs Haar zu fahren, ließ die Hand auf seinem Hinterkopf ruhen. Hob die andere Hand, als wollte er mit dem Finger auf Amanda zeigen, schloss die Hand jedoch in letzter Sekunde zur Faust und ließ sie wieder sinken.
    Das ist es. Genau. Zu viel Glück. Du bist eifersüchtig. Eine schlechte Freundin.
    Ich wandte mich lautlos ab und ging ins Haus, wo es warm und hell war. James war nirgendwo zu finden. Ich lächelte und nickte, bis mein Gesicht und meine Halsmuskeln schmerzten und der letzte Gast sich verabschiedet hatte. Ich brachte Fiona ins Bett und gab Mark einen Gutenachtkuss. Dann lag ich bis zum nächsten Morgen schlaflos in meinem Bett.
    Am nächsten Tag lehnte James es ab, mit Fiona und mir in den Park zu gehen. Er fuhr mit Mark in den Zoo. Er hatte keine Lust auf ein Abendessen mit der Familie und ging stattdessen mit Mark zu McDonald’s. Einen ganzen Monat lang biss er sich jedes Mal auf die Zunge, wenn ich ihn ansprach. Kehrte mir im Bett den Rücken zu. Wandte sich ab, wenn Fiona versuchte, ihm einen Gutenachtkuss zu geben.
    Und dann, nach ungefähr einem Monat, entspannte sich die Situation. So wie immer zwischen James und mir. Man erfährt etwas, man trauert, man verzeiht oder versucht es zumindest. Deswegen sind wir zusammengeblieben. Deswegen haben wir durchgehalten. Das Geheimnis einer glücklichen Ehe: nicht Aufrichtigkeit, nicht die Bereitschaft zu verzeihen, sondern dem anderen zuzugestehen, dass er das Recht hat, Fehler zu machen. Oder besser, das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, die man nicht zu bereuen braucht, weil sie richtig waren. Deswegen habe ich James nie um Verzeihung gebeten. Und so ist die Angelegenheit zwischen uns einfach gestorben, aber etwas anderes ist mit ihr gestorben. Es reichte nicht aus, um den Baum unserer Ehe zu fällen, doch es reichte, dass ein Ast abbrach, der nicht wieder nachwuchs.
    Mark und Fiona haben es natürlich gespürt. Und wie Kinder so sind, wurden sie widerspenstig. Mark war James gegenüber aufsässig und frech. Mir gegenüber war er verschlossen. Aber Fiona– für sie war es am schlimmsten. Wenn wir uns abends im Fernsehen einen Film anschauten, saß sie zwischen James und mir und legte jedem eine Hand auf den Arm, als könnte sie etwas zwischen uns übertragen. Nur was? Zuneigung war noch da. Auch Freude am Zusammensein, wenn auch vielleicht etwas gedämpft. Aber Respekt– ja, das war das Problem. Wenn James mit mir redete, schwang immer eine Spur von Verachtung mit, seine Umarmung hatte etwas Grobes. Im Bett war er fordernd und aggressiv. Für mich war das alles nicht unbedingt unangenehm. Fiona jedoch tat sich mit der veränderten Situation schwer. Sie schwankte von einem Extrem ins andere, zwischen Versöhnungsversuchen und Wutanfällen. Wenn sie brav war, war sie übertrieben brav. Dann wieder Phasen der Aufsässigkeit. Zu früh, um sie auf die Pubertät zurückzuführen. Allerdings wurden die Phasen schlimmer, je näher die Pubertät rückte. Sie verbrachte viel Zeit bei Amanda. Wenn ich sie weder im Wohnzimmer noch in ihrem Zimmer fand, ging ich drei Häuser weiter, um sie nach Hause zu holen. Dann stand Amanda in der Tür und winkte ihr nach, aber das Winken war ebenso ein Locken wie ein Abschied. Fiona, eine widerspenstige, störrische Fremde. Dann, nach Stunden in ihrem verschlossenen Zimmer, kam die andere Fiona heraus, erbot sich, den Abwasch zu machen oder Mark bei seinen Mathehausaufgaben zu helfen.
    Es waren seltsame, schwierige Jahre. Ich machte Überstunden, nahm Patienten an, für die ich eigentlich gar keine Zeit hatte. Veröffentlichte Fachartikel. Begann, nebenher noch in der Sozialklinik zu arbeiten. Beschäftigte meinen Geist und meinen Körper und versank gleichzeitig in der Verzweiflung. Natürlich war es Amanda, die es bemerkte und mich ganz allmählich wieder aufbaute. Die Verursacherin meiner Qualen und meine Heilerin in einer Person.
    I ch öffne die Tür, und da sind sie. Meine beiden Kinder.

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