Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
uns vornehmen, müssen wir in den folgenden 72 Stunden beginnen – andernfalls sinkt die Erfolgschance auf ein Prozent. Oder weniger.
Woher Schäfer diese ominöse Regel hatte, konnte er selbst nicht erklären. Aber das war zu den Zeiten eigentlich auchschnuppe. Für lästige Details hat sich im Goldrausch noch nie jemand interessiert. Und wer fragt, verliert.
Wir müssen Ihnen sicher nicht erzählen, wie die Sache ausging. Wie bei jedem Rausch endete auch die New-Economy-Zeit mit einem Kater, wenngleich etliche Stunden später. Schäfer verschwand von der Bildfläche und mit ihm die gefühlten Millionen auf dem Konto. Aus der Traum. Also doch weiter arbeiten.
Man kann der 7 2-Stunden -Regel allerdings nicht die Schuld daran geben – auch wenn bis heute nicht ganz klar ist, woher sie ursprünglich stammt. Es ist anzunehmen, dass Schäfer sich dafür bei dem berühmten U S-Ökonomen und Managementvordenker Peter Drucker bediente. Der sagte einmal so was wie: »Was alle Erfolgreichen miteinander verbindet, ist die Fähigkeit, den Graben zwischen Entschluss und Ausführung äußerst schmal zu halten.« Das stimmt zweifellos, klingt aber natürlich nicht so knackig wie »Die 7 2-Stunden -Regel«. Und für so einen Satz zahlt auch kein Seminarbesucher 800 Mark.
Allerdings – das muss man einräumen – entbehrt diese Regel nicht einer gewissen empirischen Relevanz. Letztlich kennt das Phänomen ja jeder, zum Beispiel von seinen Neujahrsvorsätzen. »Nächstes Jahr will ich mehr Sport machen.« »Ab morgen werde ich unbedingt abnehmen.« »Im neuen Jahr werde ich ein besserer Ehemann, Vater, Chef, Liebhaber sein …« Und was passiert dann? Eben: nichts davon. Jedenfalls nicht, wenn wir nicht unmittelbar mit dem Abebben des Silvesterkaters damit beginnen. Ursache dafür ist allerdings weniger die Macht einer drei Tage währenden Umsetzungs-Quarantäne oder ein angeblich irgendwo innerlich existierender Schweinehund, sondern schlicht mangelnde Entschlossenheit. Wenn wir etwas wirklich wollen, dann sollten wir uns auch mit aller Kraft und Hingabe dieser Sache widmen. In allen anderen Fällen machen wir uns bloß etwas vor. Und genau dafür ist die 7 2-Stunden -Regel gut: Binnen dieses Zeitfensters entlarven wir, was Substanz hat und was doch nur ein Rausch war.
D ER P ROKRASTINATIONS -E FFEKT
Warum wir so wenig Dinge geregelt kriegen
Wissen Sie, wie der Tag heißt, an dem statistisch gesehen die meisten Projekte beginnen, die besten Konzepte entwickelt werden und die kühnsten Pläne starten?
Genau: Morgen.
Der folgende Effekt gehört leider zu den besonders weit verbreiteten und von den Betroffenen meist auch leidvoll beklagten: Wer zu chronischer Prokrastination neigt, vertagt wichtige und lästige Aufgaben gerne auf später. Weniger aus Faulheit, sondern häufiger aus übertriebenem Perfektionsdrang, aus Angst zu versagen, wegen der mangelnden Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, oder aus schlechter Angewohnheit. Der U S-Psy chologe Joe Ferrari von der DePaul-Universität in Chicago gilt als führender Experte auf dem Gebiet. 2006 stellte er beim »International Meeting on the Study of Procrastination« eine Studie vor, wonach jeder fünfte Mensch ein chronischer Aufschieber ist. Ganz gleich, auf welchem Kontinent man forsche, diese Zahl halte sich konstant, bei Männern wie bei Frauen.
Und gesund ist es nicht. Wer alles auf den letzten Drücker erledigt, muss logischerweise schneller arbeiten (falls das überhaupt noch reicht). Nebeneffekt: enormer Stress. Als die kanadische Psychologin Fuschia Sirois von der Universität von Windsor das Phänomen ebenfalls untersuchte, kam sie zu dem Ergebnis, dass sich regelmäßige Prokrastinierer häufiger unter Druck fühlen, öfter krank werden und weniger auf ihren Lebensstil achten.
Dabei handelt es sich keineswegs um eine moderne Zivilisationskrankheit. Eher ist das Problem so alt wie die Menschheit selbst. Schon Cicero beklagte die ständige Aufschieberitis: »Tarditas et procrastinatio odiosa est«, nölte der Philosoph einst, was so viel bedeutet wie »Langsamkeit und Aufschieben sind schrecklich«. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Auch wenn sich manche Betroffene das Aufschieben und ersatzweiseBügeln, Staubsaugen oder Internetsurfen schönreden – die meisten leiden doch eher unter dieser Marotte. Natürlich gibt es Personengruppen, bei denen das ständige Aufschieben dringender Aufgaben gewissermaßen zum Image gehört.
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