Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Studenten etwa. Umfragen zufolge verlegt jeder zweite Studierende Abgabetermine eigenmächtig nach hinten. Als Arbeitnehmer kommt man allerdings nicht so glimpflich davon, wenn Deadlines überschritten werden – nicht ohne Grund heißen sie
Todeslinien
. Bestenfalls ist der Chef verstimmt, schlimmstenfalls droht eine Abmahnung.
Ob Sie womöglich zu der Gruppe der gewohnheitsmäßigen Aufschieber gehören, können Sie mit einem kurzen Schnelltest herausfinden:
Was ich beginne, bringe ich nicht immer zu Ende.
Ich sage häufig: »Später reicht das auch noch.«
Ich schöpfe die Zeit bis zum Abgabetermin restlos aus – und manchmal auch ein bisschen mehr.
Ich suche oft Wege, Deadlines nach hinten zu verschieben.
Ich bin gut darin, Entschuldigungen für Verspätungen zu finden.
Schwere Entscheidungen gebe ich gerne ab.
Ich versuche Situationen zu vermeiden, in denen ich mich nicht sicher fühle.
Einige der Dinge, die ich mir vorgenommen habe, verschwinden einfach nicht von meiner To do Liste.
Ich hasse große Veränderungen in meinem Leben.
Bezüglich meiner Pünktlichkeit bin ich Pessimist – was sich meist bestätigt.
Was mich ängstigt oder frustriert, meide ich.
Wer bei mehr als zwei Aussagen stumm genickt hat, ist schon gefährdet. Allerdings sind das wirklich nur Indizien. Und wernur gelegentlich so denkt, muss sich nicht sorgen. Das passiert uns allen einmal. Erst wenn das Vertagen lästiger Aufgaben zur Angewohnheit wird, spricht man von Prokrastination.
Es ist aber auch so: Wir schieben nicht nur lästige Aufgaben, wie Aktenstapel abarbeiten oder die Steuererklärung machen, vor uns her – wir prokrastinieren sogar Dinge, die uns eigentlich Spaß machen. Als die beiden Verhaltensökonominnen Suzanne Shu von der Anderson School of Management an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und Ayelet Gneezy von der Rady School of Management an der Universität von Kalifornien in San Diego typische Fälle von Aufschieberitis untersuchten, stellten sie verblüfft fest: Sobald Menschen für eine erfreuliche Aufgabe ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, erwarten sie zwar, diese Aufgabe eher in Angriff zu nehmen, tun es aber nicht.
Bei ihren Experimenten dazu erhielten 80 Probanden Geschenkgutscheine für einen Café-Besuch, die entweder schon nach drei Wochen verfielen oder erst nach zwei Monaten. Nun passierte das Erstaunliche: Weil die Teilnehmer mit der langen Frist annahmen, den Gutschein ganz sicher einlösen zu können, schoben sie den Café-Besuch immer weiter hinaus – bis es zu spät war. Der ideale Zeitpunkt kommt eben nie. Am Ende lösten aus dieser Gruppe gerade einmal sechs Prozent der Probanden die Gutscheine ein – deutlich weniger als aus der Gruppe mit der strammen Deadline von wenigen Wochen (da waren es immerhin 31 Prozent).
Den Grund für dieses spaßraubende Verhaltensmuster sieht das Forscherinnen-Duo in einer Art Wahrnehmungsfehler: Wer eine lange Deadline vor sich hat, überschätzt regelmäßig die Zeit, die ihm tatsächlich zur Verfügung steht – und verpasst den spätesten Zeitpunkt, endlich loszulegen. Die Empfehlung von Shu und Gneezy lautet deshalb: Setzen Sie sich enge Limits – egal, ob die Aufgabe lästig oder lustig ist.
DER B ROKEN-WINDOWS-EFFEKT
Warum sich Chaos vermehrt
Manchmal muss Bestehendes zerstört werden, um Neues zu entdecken. Philip Zimbardo jedenfalls ist danach vorgegangen. Im Jahr 1969 parkte der damalige Psychologie-Professor der U S-Universität Stanford einen Gebrauchtwagen in der New Yorker Bronx. Vorher hatte er das Kennzeichen abmontiert und die Motorhaube leicht angehoben – als Zeichen dafür, dass das Auto von seinem Besitzer aufgegeben worden war. Zimbardo verzog sich daraufhin auf die andere Straßenseite und filmte das Geschehen heimlich. Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, bis die ersten Vandalen kamen und sich über das Gefährt hermachten. Erst wurden die Reifen geklaut, dann Scheinwerfer, Blinker, schließlich Lenkrad, Bordelektronik, Autositze. Selbst Motor und Getriebe wurden irgendwann ausgeweidet. Und als nichts mehr übrig war, was sich irgendwie zu Geld hätte machen lassen, zerstörten die Passanten einfach den Rest. Erstaunliche 23 Akte von Vandalismus zählte Zimbardo binnen 48 Stunden an dem Auto.
Vielleicht werden Sie jetzt denken: typisch Bronx. In so einer verlotterten Gegend interessiert es ja auch niemanden, ob ein abgestellter Wagen verschrottet und geplündert wird.
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