Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Bloß nicht den Job kündigen, der einem schon lange Schlaf und Lebensfreude raubt! Bloß nicht an der Partnerschaft arbeiten, obwohl das Feuer der Leidenschaft längst zum Fünkchen verkümmert ist! Schön blöd. Denn manchmal ist Beenden besser als Bewahren. Sicher, manchmal ist es auch umgekehrt, pauschal lässt sich das nicht sagen. Aber man kann sich bewusst dafür entscheiden   – auch wenn es auf den ersten Blick wahnsinnig nervt, erneut abwägen zu müssen. Finden wir jedenfalls. Sie dürfen gerne anders entscheiden.

D ER CONFIRMATION-BIAS
    Warum wir einmal gefasste Meinungen selten ändern
    Objektivität   – was ist das eigentlich? Der Mensch ist nicht nur die Krone der Schöpfung, sondern leider auch spitze darin, sich seine eigene Wirklichkeit zu schaffen: »Ich mach mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt!«, trällerte Pippi Langstrumpf. Was bei der beliebten Romangöre zum fröhlichen Selbstverständnis gehörte, endet im realen Leben jedoch leider in einem Universumaus Selbsttäuschung, Schönfärberei und Selbstgerechtigkeit. Das äußert sich dann etwa in der Politik in unhaltbaren Wahlversprechen oder in der Wirtschaft in geschönten Bilanzen. Nicht immer geschehen solche Flunkereien aus betrügerischer Absicht. Oft ist es schlicht unser Ego, das uns dabei einen Streich spielt   – sei es aus Harmoniestreben, Sturheit oder geistiger Faulheit. Schon in der Bibel warnt der Apostel Paulus: »Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.« Zweitausend Jahre später haben Psychologen dieser Erkenntnis einen Namen gegeben: Confirmation-Bias.
    Stark vereinfacht lässt sich das Phänomen so beschreiben: Wir alle neigen zur Geschichtsklitterung. Man könnte auch sagen, wir pflegen Vergesslichkeit aus Notwehr. Nicht, weil wir kollektiv an Alzheimer leiden, sondern weil wir dazu tendieren, unsere Entscheidungen, Handlungen und Fehler im Nachhinein mental zu verklären, nur um uns besser zu fühlen. Ein Nebeneffekt ist allerdings, dass wir aus der Vergangenheit und unseren Fehlern nichts Vernünftiges lernen (siehe auch Hindsight-Bias).
    Um diesem Reflex zu erliegen, müssen wir nicht einmal Fehler machen. Der menschliche Verstand hat ständig eine inhärente Tendenz zur selektiven Wahrnehmung: Tagtäglich nehmen die meisten von uns nur solche Informationen auf, die in ihr Weltbild passen. Der Rest wird einfach ausgeblendet. Entsprechend umgeben sich viele Chefs mit Menschen, die ihnen nach dem Mund reden; andere lesen nur noch Artikel, die ihre Meinung widerspiegeln (wer politisch links steht, liest eben mehrheitlich die ›taz‹, wer rechts steht, die ›FAZ‹); beim Sport hat der Schiri immer unrecht, wenn der Elfmeter gegen die eigene Mannschaft geht. Unsere »objektive Wahrheit« stützen wir vor allem auf persönliche Eindrücke und Erfahrungen, die sich nicht so einfach wegdiskutieren lassen. Kurz: Wir prüfen Informationen auf ihre Richtigkeit   – aber nicht, ob sie vielleicht auch falsch sind.
    Der englische Philosoph Francis Bacon hat das 1620 so ausgedrückt:
     
    »Hat der menschliche Verstand einmal eine Meinung angenommen, so zieht er alles heran, um diese zu bestätigen und mit ihr zusammenzustimmen. Und selbst wenn sich für das Gegenteil mehr und weit bessere Beweise anbieten, so wird er diese mit großer und schädlicher Voreingenommenheit ignorieren, verdammen oder sie durch Spitzfindigkeiten als irrelevant betrachten, auf dass die Autorität seiner ersten Annahme ungeschmälert erhalten bleibe.«
     
    Fatal! Denn dabei schrumpft unser geistiger Horizont, ohne dass wir es bemerken. Selbst Erfolge, die wir zwischendurch erzielen, werden so zur tückischen Falle: Weil wir uns in unserem Denken erst recht bestätigt sehen, reduzieren wir unsere geistige Flexibilität noch weiter, eliminieren jeden Querdenker-Impuls und werden unfähig, Meinungen und Strategien zu wechseln   – selbst wenn die Umstände schon längst andere sind. So lässt sich der Begriff Confirmation-Bias am trefflichsten mit
Voreingenommenheit
oder
Vorurteil
übersetzen.
    Die Erkenntnis aus dieser (Selbst-)Bestätigungstendenz ist vielleicht nicht bequem, aber wichtig: Wir müssen uns vor uns selbst schützen. Insbesondere davor, uns stetig in die eigene Tasche zu lügen.
    Ein Weg dazu sind permanente Rückkopplungen über die Güte unserer Entscheidungen   – etwa durch Freunde, Kollegen, Kritiker und Querdenker. Sie liefern hilfreiche Gegenargumente, die

Weitere Kostenlose Bücher