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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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DIE ENTSCHEIDUNGSPARALYSE
    Warum wir uns nicht entscheiden, obwohl wir sollten

    Es gibt Experimente, nach deren Lektüre weiß man, was man alles nicht weiß. Oder aber man ist danach mehr von der unglaublichen Entscheidungsunlust des Menschen überzeugt. In diese Kategorie wissenschaftlicher Versuche gehört auch der sogenannte Becher-Versuch des amerikanischen Ökonomen Jack Knetsch. In seinem Experiment von 1989 schenkte er Studenten einen Kaffeebecher und fragte sie kurz danach, ob sie bereit wären, die Tasse gegen Schokoladenriegel zu tauschen. 90   Prozent behielten lieber den Behälter. Und das waren keine Diabetiker! Dieselbe Nummer funktionierte auch andersherum: Die Leute bekamen erst einen Schokoriegel und wurden dann gefragt, ob sie ihn gegen einen Kaffeebecher tauschen wollten. Jetzt blieben rund 90   Prozent bei der Süßigkeit.
    Entscheidungsparalyse heißt das im Fachjargon und bedeutet, dass wir uns manchmal am liebsten gar nicht entscheiden wollen. Hauptsache, es bleibt alles beim Alten. Auch wenn das vielleicht gar nicht so gut ist: Der Job macht längst keinen Spaß mehr. Der Partner daheim ödet einen nur noch an. Der Sex ist so aufregend wie Marschmusik. Alles langweilig, dröge und nervig. Aber kann das nicht trotzdem bitte so bleiben? Nur aus Gewohnheit, Routine und Bequemlichkeit?
    Für all die Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen, haben wir meist nur wenige Sekunden Zeit   – was auch nicht weiter schlimm ist, da das Gros eher trivialer Natur ist: Zum Frühstück Marmelade oder Nutella? Heute mit Hosenanzug oder Kostümins Büro? Die blöde Kollegin grüßen oder ignorieren? Vieles davon läuft unbewusst ab, und angesichts des Ausmaßes unserer täglichen Wahloptionen können wir von Glück sagen, dass einige davon trivial sind. Im Grunde ist es egal, ob wir einen Kaffeebecher oder einen Schokoriegel geschenkt bekommen, solange wir am Ende das behalten, was uns lieber ist. Gefährlich aber wird diese Einstellung immer dann, wenn wir uns der Illusion hingeben, in unserer Wahl völlig frei zu sein, und uns dabei selbst blockieren   – etwa aus purem Phlegma.
    Von dem amerikanischen Verhaltensökonomen Dan Ariely stammt ein anderes Experiment dazu. Auch hierbei ging es um Entscheidungen beziehungsweise darum, zu belegen, dass wir uns oft viel mehr auf das konzentrieren, was wir dabei verlieren, als auf das, was wir dabei gewinnen könnten   – ähnlich wie beim Becher-Versuch. Denn mit jeder Entscheidung
für
etwas schließen wir gleichzeitig die Alternativen aus. Wir entscheiden uns für den Kaffeebecher und müssen nun auf den Schokoriegel verzichten. Wir kaufen diese atemberaubend schönen High Heels und können uns deshalb die sündigen Stiefel nicht mehr leisten. Wir entscheiden uns für einen Partner und schließen damit all die anderen potenziellen Liebhaber aus, die wir vielleicht auch noch hätten haben können. Jedenfalls machen wir Menschen das in der Regel so.
    In Arielys Versuch saßen die Probanden vor einem Computer und sahen drei Türen   – rot, grün, blau. Auf eine davon durften sie klicken, dann öffnete sich ein Raum mit drei weiteren Türen. Wieder rot, grün, blau. In jedem dieser Räume lag Geld in unterschiedlicher Höhe, das ihr Computer-Ich einsammeln konnte. Es galt also, jene Türen zu finden, hinter denen ein besonders hoher Betrag lag, um so den Gewinn zu maximieren. Dazu blieben den Probanden insgesamt 100   Klicks. Vordergründig ging es darum, eine Entscheidungsstrategie zu entwickeln, um mit den begrenzten Optionen das meiste herauszuholen. Einfach wahllos hin und her zu klicken, verringerte die Gewinnaussichten erheblich. Nun aber wendete Ariely einen perfiden Trick an: Falls einebestimmte Tür zwölf Mal nicht angeklickt wurde, verschwand sie einfach. Effekt: Sobald die Teilnehmer diese Raffinesse bemerkten, begannen sie wild umherzuklicken, um zu vermeiden, dass sich eine Tür dauerhaft schloss. Natürlich verballerten sie dabei viel zu viele ihrer begrenzten Optionen und schmälerten letztlich den Ertrag. Mehr noch: Hätten sie einfach weitergemacht wie bisher (und wären ihren Entscheidungen treu geblieben), hätten sie ein Maximum erzielt   – denn tatsächlich wurden ja nur die Wahloptionen weniger und damit die Möglichkeiten, danebenzutippen, nicht aber das Geld.
    Was man hat, das hat man, so denken wir Menschen oft. Bloß nicht den warmen, duftenden Kaffee wieder hergeben!

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