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Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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aschegepuderten Stufen hinauf. Die Brände waren erloschen, aber die Steinquader strahlten noch immer Wärme aus. Feine Haarrisse und Sprünge durchwoben sie mit fein verästelten Linien, die entfernt an ein Aderwerk erinnerten.
    Am Ende der Treppe, vor dem wie ein Schlund gähnenden Eingang, hielt Nona kurz inne und spähte zur Tempelpyramide, zu der sich Landru nach ihrer jüngsten Begegnung gewandt hatte. Er hatte sich über den Fortgang der Verhöre erkundigen wollen.
    »Nach Lilith willst du nicht suchen?« hatte sie ihn gefragt. »Es gibt immer noch keinen eindeutigen Beweis, daß sie in den Flammen umgekommen ist!«
    Und Landru hatte erwidert: »Ich werde mich der Suche nach ihr noch angemessen widmen, keine Angst. Sobald ich die Ordnung in Mayab wieder halbwegs wiederhergestellt habe. Sobald die drei künftigen Königinnen mir bewiesen haben, daß sie in der Lage sind, ihr Reich zu verwalten. Bleiben sie mir diesen Beweis schuldig .«
    »Was dann?«
    »Dann?« Landru hatte ein abseitiges Lächeln aufgesetzt. »Was dann mit ihnen geschieht, habe ich bereits entschieden.«
    Näher hatte er sich darüber nicht ausgelassen. Aber in seinen Augen hatte Nona einen Glanz gefunden, der sie erleichterte, nicht zu denen zu zählen, über die Gericht gehalten würde.
    Sie kehrte dem Großen Tempel den Rücken und schritt auf den Palasteingang zu. Insgeheim fragte sie sich, was sie hier eigentlich tat. Warum sie sich solcher Gefahr aussetzte, denn die Stabilität des monumentalen Gebäudes hatte dramatisch gelitten. Vielerorts waren Deckenteile eingestürzt. Überall lagen Trümmer, die den Weiterweg erschwerten, und manchmal glaubte sie in den Mauern ein Ticken und Knistern zu hören, als stünde auch die noch glosende Ruine kurz davor, in einem infernalischen Getöse unterzugehen.
    Nona setzte ihre Suche dennoch fort.
    Ja, Suche! Landru mochte glauben, auch später sei noch Zeit, sich Gewißheit über Liliths Ableben zu verschaffen, und für ihn persön-lich mochte dies auch gelten.
    Für sie nicht.
    Sie würde fortgehen - morgen schon. Und wenn sich dann herausstellte, daß Lilith gar nicht umgekommen war, sondern irgendwo in Mayabs Grenzen Schutz vor den Flammen und dem feigen Anschlag gefunden hatte, dann .
    Dann wäre wertvolle Lebenszeit vergeudet, dachte Nona. Meine Zeit.
    Denn in den Jahren, die ihr noch verblieben, bevor das Alter ihre Kräfte zermürbte, wollte sie ergründen, worüber nicht einmal Chiyoda Kenntnisse besaß, obwohl ihr weiser Mentor in vielen Welten, in vielen möglichen Zukünften daheim war. Die CHRONIK, so hatten Ninmahs Kinder ihr versichert, enthielt Aufzeichnungen über den Ursprung des Wolfsfluchs, der einige wenige Menschen befiel, und der - dessen war sich Nona sicherer denn je - einen Sinn haben mußte.
    Sie klammerte sich daran, daß dem so war. Daß die Sünden, die sie begangen hatte und weiter begehen würde, letztlich noch zu etwas anderem führen würden als ihrer Verdammnis .
    Über immer noch gangbare Treppen erstieg sie Stockwerk um Stockwerk des ausgebrannten Palasts, und Streiflichter dessen, was sie hier vor dem alles vertilgenden Feuer erlebt und gesehen hatte, durchzuckten ihren Geist.
    Je höher sie stieg, je weiter sie sich vorwagte, desto fragwürdiger erschien ihr das Reich, das der Lilienkelch hier dereinst errichtet hatte.
    Was für eine Kelchbrut war das, die es nicht einmal schaffte, sich eines Feuers zu erwehren?
    Allmählich verstand sie Landrus wütende Reaktionen besser.
    Dann betrat sie die Räume, die einmal dem Hohen König Chiquel gehört hatten.
    Und fand, wonach sie in dieser Form nie gesucht hatte.
    *
    Bist - nicht - unsere - Mutter ...
    Die Worte kreisen in meinem Kopf. Ebenso all das, was ich außerdem erfahren habe - und nicht begreife.
    Warum? Warum tut er das?
    Warum gab Landru vor, sich zu erinnern? Mich heimführen zu wollen zu den meinen .?
    Diese schreckliche Welt, wer hat sie erschaffen? Landru? Etwa nur, um mich zu . täuschen?
    Ich liege da und lausche dem Gewicht, das auf mich drückt. Schmecke das Blut dessen, den ich nie geboren habe und dessen Erektion ich spüre, während ich aus ihm trinke. Immer wieder neu die Ader öffne, in der sich etwas verbirgt, das anders ist als das Blut, das ich zuvor auf Landrus Geheiß schmeckte.
    Die Zeit vergeht. Ich liege da - mit ihm.
    Ich reibe mich an ihm. Nicht hauteng, sondern wie eine Schale umgibt uns beide, was ich als Kleid zu tragen gelernt habe.
    Die Geräusche dahinter sind verklungen. Aber

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