Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
neuzeitlicher Sklavenhandel
Als Schleuser oder auch Schlepper werden Kriminelle bezeichnet, die Menschen kommerziell, unter Umgehung der gesetzlichen Einreisebeschränkungen, in andere Staaten bringen. Die Geschleppten sind häufig Menschen, die ihr Herkunftsland aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen verlassen wollen. Neben Gelegenheitsschleppern sind in diesem Metier auch straff geführte Banden tätig, die der organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Für die illegale Verbringung haben die geschleusten Personen größere Geldbeträge im Voraus zu entrichten. In vielen Fällen müssen sie sich dafür verschulden, was oft zu einer jahrelangen Abhängigkeit von der gewerblich handelnden Schleuserorganisation führt, die im Bestimmungsland die Arbeitskraft der Geschleusten ausbeutet. Die Schleusungskriminalität ist für Banden auch ein gängiger Einstieg in andere Deliktsbereiche. Auf der Seite der Schleuser steht »gewaltiger« Gewinn: schleusen heißt hohe Rendite bei keiner Vorabinvestition. Eine Handvoll Kontakte genügen. Die so erwirtschafteten Erlöse werden dann in andere Deliktsbereiche investiert: Waffenhandel, Drogenschmuggel. Dem Staat geht es in erster Linie um die Drahtzieher im Hintergrund, die Logistik, Anwerbung, Ausbeutung. Zuwanderung zu reglementieren ist trotz aller humanen Gründe notwendig, um die sozialen Systeme nicht zu überfordern. Gründe genug, um jeden noch so kleinen Verdacht zu verfolgen und jegliche Aktivitäten in diese Richtung im Keim zu ersticken.
Auf einem anderen Blatt steht das Schicksal der Geschleusten. Für sie ist es häufig der erste Schritt in die Kriminalität. Selbst wenn
ein illegal eingereister Mensch bei Familie oder Freunden unterkommt, wird er hier nur schwer Arbeit finden, legale sowieso nicht. Kein Unternehmen kann ihn ohne Papiere einstellen. So fehlt das Geld, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Und wenn es noch so wenig ist, was er braucht. Mit dem Rücken an der Wand macht er dann Dinge, die er freiwillig nie getan, die er sich früher womöglich gar nicht zugetraut hätte. Es ist kaum möglich, dem Teufelskreis zu entkommen – ohne gültigen Aufenthaltstitel und Sprachkenntnisse, ohne Freunde, Familie, Kontakte, völlig auf sich selbst gestellt in einem fremden Land, womöglich bedroht von den kriminellen Abzockern: Wenn du nicht tust, was wir dir sagen, kümmern wir uns um deine Familie. Dass mit Kümmern keine Fürsorge gemeint ist, versteht sich von selbst.
Nicht alle Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, sind freiwillig hierhergekommen. Junge Mädchen und Frauen werden oft mit falschen Versprechungen nach Europa gelockt oder sogar gekidnappt. Kaum an ihrer »Lieferadresse« angekommen, werden ihnen die Pässe abgenommen. Von der seriösen Arbeit in einem Restaurant, der Kinderbetreuung oder Altenpflege ist dann keine Rede mehr. Die Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Immerhin haben sie eine Menge Schulden abzuarbeiten: ihren Schleuserlohn. Summen ab 5000 Euro sind keine Seltenheit. Dieser nicht zu knapp bemessene Betrag wird – wie auch in seriösen Unternehmen üblich – verzinst. Die organisierte Kriminalität schaltet und waltet in vielen Bereichen wie ein Wirtschaftsunternehmen. Effektiv und effizient.
In dieser Branche gibt es verschiedene Geschäftsmodelle. Was die meisten gemeinsam haben, ist, dass sie netzwerkartig zusammenarbeiten. Jeder macht das, was er am besten kann. Klienten anwerben, Wege organisieren, Grenzer bestechen, Gruppen über die »Grüne Grenze« bringen, Unterkünfte auskundschaften, Pässe
fälschen oder gefälschte Pässe beschaffen. Ziel ist es, möglichst schnell möglichst leicht viel Geld zu machen. Humanitäre Gründe werden hier und da gelegentlich vorgeschoben, spielen aber eher eine untergeordnete Rolle. Jeder macht jedes Geschäft, das er machen kann, mit demjenigen, mit dem es sich gerade anbietet. Je besser ein Schleuser vernetzt, je besser er etabliert ist, desto runder läuft sein Geschäft.
Auch diese Märkte unterliegen dem ständigen Wandel: Das Geschäftsmodell, Menschen aus der Balkanregion in den Schengenraum – wie man den Zusammenschluss jener Länder bezeichnet, die übereingekommen sind, ihre Innengrenzen durch eine gemeinsame Außengrenze zu ersetzen - – zu bringen, hat sich verändert. Wer heute von Deutschland nach Österreich fährt, zeigt an der Grenze keinen Pass mehr vor. Die Zeiten, in denen das noch gang und gäbe war, haben wir
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