Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
Emotionen zu verbergen. Nun gut, dem Analysten ist auch Stress manchmal kaum anzumerken. Während ein Macher sich, wenn es hoch hergeht oder er sich ärgert, sichtbar aufregt, laut wird, flucht, man kann seinen Blutdruck im Gesicht ablesen, vielleicht sogar einmal mit der Faust auf den Tisch schlägt, bleiben die Gesichtszüge des Analysten unbeweglich, fast starr. Er scheint keine Emotionen zu haben. Das ist eine Fehleinschätzung: Man sieht sie nur nicht. Aber auch daran liest der erfahrene Agent so einiges ab. Er begeht nicht den Fehler, oberflächlich darauf zu schließen, der Analyst sei so cool. Nein, ist er nicht. Er wirkt nur völlig anders als der impulsive Macher und das erkennt der gute Beobachter, da er die Person zuvor gründlich studiert hat. Stress führt zur Verstärkung der Merkmale. Auch beim Kontakter, der seine Gefühle und Stimmungen stets deutlich äußert. Er fühlt
sich besser, wenn er sich in schwierigen Situationen jemandem anvertrauen, sein Herz ausschütten kann.
Agenten begehen niemals den Fehler, einen Analysten für unmenschlich und einen Macher für unbeherrscht, einen Kontakter für naiv zu halten. Sie schauen hinter das Verhalten, erkennen den Typus und wissen ihn einzuschätzen. Und natürlich wissen sie über sich selbst Bescheid und kennen die Gefahr, von sich auf andere zu schließen. Je länger sie im Dienst sind, desto leichter fällt es ihnen, tolerant zu sein.
Wir alle sind ein bisschen anders. Dies stets zu berücksichtigen, macht das Leben einfacher. Es nicht nur zu beachten, sondern sich darauf einzulassen, macht das Leben noch schöner, nicht nur für uns selbst, sondern auch für alle anderen.
Und weil wir alle ein bisschen anders sind, unterscheidet sich auch unsere Menschenkenntnis. Letztlich stellt jeder für sich das zusammen, was sich bewährt hat. Als Agent blicken Sie dabei über den Tellerrand und erweitern Ihren Horizont kontinuierlich, sodass Ihre zukünftigen Missionen einer noch höheren Geheimhaltungsstufe unterliegen werden.
Agenten-Zertifizierung
Wenn Sie es bis hierhin geschafft haben, sind Sie weit gekommen. Doch der Weg ist noch lange nicht zu Ende – Agentenalltag bedeutet: von einer Mission zur nächsten. Und jedes Mal eine andere Brille aufsetzen, damit wir die Welt so sehen können, wie unser Gegenüber sie vielleicht sieht. Als Agenten beurteilen Sie andere Menschen nicht danach, wie Sie selbst etwas finden. Sie haben genügend Brillen zur Auswahl, um die Wahrnehmungsfilter anderer zu verifizieren und sich dementsprechend zu verhalten. Mit jeder weiteren Brille erwerben Sie eine neue Facette der Menschenkenntnis.
Freuen Sie sich gerade an jenen menschlichen Begegnungen, die Ihnen einiges an Gelassenheit abverlangen. So überprüfen Sie Ihre Kompetenz. Das gelingt am besten bei Zeitgenossen, die so ganz anders sind als wir selbst, deren Verhalten auf den ersten Blick weder zu verstehen noch zu durchschauen ist. Toleranz unter Gleichgesinnten ist kein Kunststück.
Gelingt es Ihnen, andere so sein zu lassen, wie sie sind? Gelingt es Ihnen, sie nicht abzuwerten? Sie vielleicht sogar ein Stück weit zu verstehen in ihrem Kosmos? Ihnen hier sogar entgegenzukommen, eine Sprache mit ihnen zu sprechen, sie in ihrer Welt zu motivieren? Dann sind Sie auf dem richtigen Weg, denn Sie sehen die Welt durch dieselbe Brille, die Ihr Gegenüber trägt. Geben Sie anderen Menschen das, was sie brauchen, und sie werden tun, was Sie wollen.
Sobald Sie dies beherrschen, haben Sie eines der größten Geheimnisse des Dienstes verinnerlicht. Willkommen bei den
V-Leuten. Aber behalten Sie es für sich. Und verraten Sie niemandem, woher Ihre Informationen stammen: Quellenschutz!
Sie waren niemals hier und haben dieses Buch niemals gelesen!
Am Sonntagvormittag klingelte ich mit einem bunten Riesenblumenstrauß bei Frau Mühlthaler. Und kam ungelegen. Das Sonntagsrätsel im Radio dauerte zwei, nicht eine Stunde, wie ich es vermutet hatte. Den Blumenstrauß legte die alte Dame nachlässig in der Küche ab, dann nahm sie sofort wieder Platz auf ihrem Stuhl neben dem Radio. Das Wohnzimmer war wieder geheimdienstfrei. Wir waren niemals hier gewesen. Frau Mühlthaler griff zu Bleistift und Block und lauschte. Auf dem Tisch lagen mehrere aufgeschlagene Lexika, Zeitschriften, der Duden. Kein Computer, kein Internet. Frau Mühlthaler recherchierte und hatte eine Fährte aufgenommen. Hoch konzentriert arbeitete sie an der Lösung. Ich schaute über ihre
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