Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
tauch mal ab.«
»Tu das«, erwiderte ich.
In der Tiefgarage stand eines unserer Wohnmobile, das wir gelegentlich für eine kurze Siesta nutzten, wenn es nicht für Observationszwecke im Einsatz war. »Ich tauch mal ab« bedeutete, dass Sabine genau das nun tun würde.
»Ich hol dich rechtzeitig«, sicherte ich ihr zu.
Sie wollte etwas sagen.
Ich war schneller. »Klar. Mit einem Becher Kaffee. Keine Milch, kein Zucker. Schließlich will ich vermeiden, dass dein Koffein-Notlicht flackert.«
Das Klingeln meines Handys beendete unser Gespräch.
Es war Tichow. »Ich hab was«, begrüßte er mich. »Wann hast du Zeit? Bei mir geht’s jetzt sofort oder abends.«
»Dann abends.«
»Möchtest wirklich so lange warten?«
»Kann ich denn warten?«, fragte ich.
»Musst du wissen.«
»Jetzt sag schon!«
»Hat Zeit bis abends.«
BKA im Anzug
»In zehn Minuten ist das BKA da«, teilte mir der SGL mit. »Eben haben sie die Allianz Arena passiert.«
Ich holte einen Kaffee für Sabine und brachte ihn in die Garage. Sabine sah bedeutend besser aus als vor drei Stunden. Die vom BKA hatten aufs Gas gedrückt.
Erdogan Yilmaz schien außerordentlich wichtig für sie zu sein. Die nächste Dringlichkeitsstufe hätte die Abgesandten vermutlich mit dem Hubschrauber zu uns gebracht. In was für ein Wespennest hatten wir da gestochen?
»Alles reine Routine«, erklärte einer der beiden BKA-Mitarbeiter, die standesgemäß in Anzug und Krawatte auftauchten. Sabine und ich baten die Herren in unseren Konferenzraum im Erdgeschoss. In diesem Bereich würden sie außer dem Sicherheitspersonal keinen einzigen Mitarbeiter des Geheimdienstes zu Gesicht bekommen, nur diejenigen, die an der Besprechung teilnahmen. Niemals würden wir Gäste durch unsere Gänge und Büros führen. Auch der Pizzadienst wurde am Haupteingang bezahlt. Auf dem Tisch im Besprechungszimmer standen Kaffee und Plätzchen vom Discounter bereit.
»Meine Herren, wir sind neugierig«, eröffnete der SGL die Besprechung.
»Reine Routine«, wiederholte einer der beiden, was er bereits gegenüber Sabine und mir beteuert hatte.
»Wenn es reine Routine wäre, hätten Sie ein Fax geschickt«, konterte der SGL augenzwinkernd. Er war ein altgedienter Agent, lange Jahre undercover im Außendienst, mit allen Wassern gewaschen und ein absoluter Profi in Sachen Vernehmung – ob bei Kriminellen oder Kriminalisten.
»Sie waren schneller hier als jedes Fax hätte sein können«, ergänzte er.
»Ja, eine ziemlich gute Zeit, und das bei dem Verkehr«, meinte einer der beiden sichtlich stolz auf die deutlich unter vier Stunden Fahrzeit von Wiesbaden nach München.
Nachdem jeder sich und seinen Arbeitsbereich in kurzen Worten vorgestellt hatte, war klar, aus welcher Richtung der Wind wehte. Die Kollegen vom BKA kamen aus der Abteilung SO, dem Bereich für schwere und organisierte Kriminalität, der eine von SO 13, dem Referat für Menschenhandel, der andere von SO 14, dem Referat für Schleusungskriminalität.
»In diese Richtung ermitteln wir hier auch«, nahm der SGL den Faden auf. »Momentan fischen wir noch im Trüben. Die Indizien verdichten sich mit jeder Woche, die vergeht, die heiße Spur fehlt uns noch.«
Die BKA-Kollegen wechselten kurze Blicke.
»Unsere Zielperson betreibt ein Reisebüro hier in München. Laut Quellenmeldungen sollen über diesen Laden Schleusungen in größerem Umfang abgewickelt werden. Wir hatten mehrere heiße Hinweise, haben daraufhin mit der Bundespolizei zwei Razzien durchgeführt und beide Male ins Klo gegriffen. Wir können die Situation noch nicht einordnen. Euer Erdogan Yilmaz ist uns jetzt das erste Mal aufgefallen.«
Wieder wechselten die BKAler kurze Blicke.
Sabine legte das Mühlthaler-Foto von Erdogan und seinem Fahrzeug auf den Tisch. Die beiden beugten sich darüber. »Ja, das ist er.«
Der SGL sah mit leerem Blick auf das Foto und machte eine Pause. Für uns das klare Zeichen, auch zu schweigen.
Schließlich brach der jüngere der beiden BKA-Mitarbeiter die Stille. Zwei zu null für den SGL.
»Wir ermitteln seit vierzehn Monaten gegen einen international operierenden Ring von Menschenhändlern. Erdogan Yilmaz spielt dabei eine tragende Rolle. Er ist die rechte Hand vom Blutigen Boran, einem gefürchteten Schleuserboss in Istanbul. Erdogan gilt als sein Krisenmanager. Er taucht immer dort auf, wo es brennt, schafft klare Verhältnisse und verschwindet wieder. Wegen ihm dürfte Boran seinen Beinamen haben.
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