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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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“Steh auf!”
    Ich tue, was sie sagt.
    “Und jetzt beweg deinen traurigen Hintern nach draußen und hol den Wischmop. Du wirst diesen Boden putzen, bis er blitzt und blinkt, verstanden?”
    Ich renne zur Tür, stolpere aber wieder. Ich finde das Gleichgewicht nicht so schnell, nachdem ich eben so hart zu Boden gegangen bin. Ich lecke Blut von meiner Lippe, schlucke, und jetzt ist die Honigkugel endlich weg.
    “Ich hasse dich, du kleine Wilde”, brüllt sie mir nach. “Hörst du mich? Ich hasse dich. Ich hasse es, wie du aussiehst, ich hasse es, wie du läufst, ich hasse alles an dir …” Den Rest verstehe ich nicht, weil ich mich beeile, den Wischmop zu finden.
    Ich weiß, dass Mama es nicht so meint. Sie ist nur wütend, und wenn sie wütend wird, hat sie Schwierigkeiten mit ihrem Mund – der hört einfach nicht auf, sich zu bewegen, das ist das Problem. Deswegen haut Emma immer ab, wenn wir von Mama bei irgendetwas erwischt werden. Emma tut immer so cool und erwachsen, aber wenn Mama ihr sagt, was sie alles an ihr hasst, dann geht sie innerlich zu Grunde. Das sehe ich. Emma ist noch nicht alt genug, um zu wissen, dass Mama es nicht so meint.
    Der Schrubber ist da, wo Mama gesagt hat, er lehnt am Verandageländer mit der nassen Seite nach oben, damit sie trocknen kann. Aber als ich ihn so ins Haus trage, knallt der Stiel laut gegen die Wand, was Mama wieder in Wut versetzten wird. Also kippe ich ihn etwas und schleiche auf Zehenspitzen zurück in die Küche, um den Honig aufzuwischen.
    Mama ist weg, ich höre Schritte über meinem Kopf, also kümmert sie sich wohl wieder um die oberen Schlafzimmer, schrubbt die Wände und Böden. Emma späht in die Küche.
    “Die Luft ist rein”, wispere ich. Ganz vorsichtig öffnet sie die Gittertür und schließt sie ebenso vorsichtig hinter sich.
    Ohne ein Wort zu wechseln, beginnen wir, sauberzumachen. Emma hebt das Glas auf und kippt es, damit der Honig wieder zurücklaufen kann, während ich den Rest auf dem Boden wegwische. Wenn man einen Schrubber in den Eimer taucht, muss man das langsam tun, um rechtzeitig aufzuhören, bevor das Wasser überläuft. Das vergesse ich beim ersten Mal, das Wasser spritzt auf den Boden, bevor ich es verhindern kann. Ist aber nicht schlimm, der Boden klebt ja vor Honig und es bedarf einiges Wasser, um ihn wieder zu säubern.
    “Ihr glaubt, ihr könnt hier einfach reinkommen und euch alles nehmen, was euer kleines Herz sich wünscht.” Bei Mamas Worten erschrecke ich schon wieder. “Ein bisschen Honig auf Toast, bitte”, sagt sie mit höherer Stimme. “Oh, danke, sehr nett von Ihnen.” Sie lehnt am Türrahmen, raucht eine Zigarette und sieht uns beim Putzen zu. Ich vermeide es, ihr in die Augen zu sehen. Sie soll nicht denken, dass ich aufmüpfig bin.
    Sie beginnt, auf und ab zu gehen, da, wo der Boden bereits sauber ist, klatschen ihre nackten Füße auf das Wasser. “Kommen und gehen, wie es euch passt.” Sie läuft auf. “Keine Sorgen.” Und ab. “Keine Nöte.”
    Emma hält den Kopf ebenfalls gesenkt und konzentriert sich auf die Küchentheke, obwohl die gar nicht viel Konzentration benötigt.
    “Raus hier!” schreit Mama.
    Diesmal sehe ich in ihre Richtung, aber noch immer nicht in ihre Augen. Ich will nur sicher sein, dass sie uns meint, und das muss sie wohl, nachdem Richard nirgends zu sehen ist.
    “Mama?”
    “Ich sagte, raus.” Sie bleibt stehen. “Taub oder was? Sofort raus hier! Ich will niemanden mehr hier sehen! Raus!”
    Ich lasse den Schrubber los, er fällt laut zu Boden. Emma lässt den Lappen liegen, mit dem sie geputzt hatte. Wir flitzen aus der Küche und durch die Hintertür aus dem Haus.
    “Raus hier!” brüllt Mama von drinnen. Als wir in Sicherheit sind, bleiben wir gleichzeitig stehen und lauschen, ob sie sonst noch was schreit. Aber ich kann sie nur weinen hören.
    “Komm, wir suchen Orla Mae”, sagt Emma einen Moment später.
    “Woher sollen wir wissen, wo sie wohnt?”
    “Weiß nicht, aber wir können es ja versuchen.”
    Wir laufen um das Haus herum, in dem Mama weint, den Weg entlang zur Hauptstraße, von wo wir die Bickets hierher haben fahren sehen. Am Straßenrand mischen sich Sand und Erde. Dann beginnt die große, schwarze Straße, hübsch und weich, wie frisch geteert. Saubere gelbe Linien in der Mitte.
    “Rechts oder links?” frage ich Emma, schließlich war es ihre Idee.
    “Lass uns knobeln.”
    “Papier, Schere, Stein”, sage ich, dann öffne ich meine Faust und mache

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