Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
Vom Netzwerk:
Geschirr.”
    “Normalerweise ja. Aber wir haben noch längst nicht Monatsende und wir können aus dem Stück noch so einiges rausholen.”
    Nachdem Mr. Wilson mir gezeigt hat, wie man ein Gewehr in Millionen winzige Teilchen zerlegt, beeile ich mich, nach Hause zu kommen.
    Richards Pick-up parkt noch immer seitlich am Weg zum Haus Nummer zweiundzwanzig. Mama hat die kleinen Teppiche, die normalerweise auf den Zimmerböden liegen, auf der Veranda ausgebreitet, damit sie auslüften können. Ich sollte ihr sagen, dass es bestimmt bald regnen wird. Brownie legt sich nämlich immer auf die rechte Seite, wenn es Regen gibt. Das hat Mr. Wilson vorhin gesagt. Nachdem wir die Putzsachen wieder im Schuppen verstaut hatten, hat er das Gewehr nicht dort eingeschlossen. Er sagte, er würde es “nur für den Fall” mit ins Haus nehmen. Wenn schon Mr. Wilson sich fürchtet, dann sollten wir das wohl alle tun.
    “Wo zur Hölle warst du?” Richard grinst mich an, als ich gerade die Tür öffnen will, und ich zucke erschrocken zurück.
    “Nirgends.” Ich versuche abzuschätzen, ob genug Platz ist, um mich an ihm vorbeizudrücken, ohne dass er mich packen kann oder so was Ähnliches. Über dieses “so was Ähnliches” mache ich mir besonders Sorgen, denn er packt einen nicht einfach, er verdreht einem gleich den Arm.
    “Glaubste, ich bin blöd genug, dir das abzukaufen? Du warst also
nirgends?
Nirgends. Was zum Teufel glaubst du, wo
nirgends
ist?”
    Nein. Nicht genug Platz, um an ihm vorbeizukommen.
    “Ich spreche mit dir, Mädchen.” Er tippt mir mit der Bierdose auf die Brust. “Sieh mich an, wenn ich mit dir rede. Schon besser. Und jetzt sagst du mir, wo du warst.”
    “Nur die Straße runter irgendwo.”
    “
Wo
die Straße runter?”
    “Wo ist Mama?”
    “Du stellst hier keine Fragen. Ich stelle hier die Fragen.” Er nimmt einen Schluck Bier und rülpst laut. “Du streunst durch die Gegend, seit wir hier wohnen, und ich habe das Recht zu erfahren, wo du warst. Entweder du sagst es mir, oder ich muss es auf andere Weise rausfinden.”
    Ich kann nicht glauben, dass er mich verstanden hat. Ich habe ganz leise gesprochen, wie zu mir selbst. Ich wollte nicht, dass er es hört. Es ist nur so, dass er
nicht
das Recht hat zu wissen, wo ich war. Wir haben in der Schule den Unterschied zwischen Recht und Privileg durchgenommen, und es wäre für Richard ein
Privileg
, zu wissen, wo ich war, kein
Recht.
    “Willst du frech werden?”
    Sein Tritt kommt schnell und heftig, bevor ich weiß, was geschieht, liege ich schon auf dem Boden und tue genau das Falsche.
    “Mama!” Eine Sekunde lang habe ich das Gefühl, als schwebe ich unter der Decke und würde auf mich herunterschauen. Meine Stimme hört sich ganz anders an als sonst, ich schreie.
    Ich meine, nach Mama zu rufen, ist in zweierlei Hinsicht schlecht. Erstens, sie kommt eigentlich nie, und wenn doch, dann wird sie nur wütend auf mich und Emma, weil wir nach ihr gerufen haben, als ob sie ein Hund wäre. Dann sind
beide
sauer und das ist nie gut. Zweitens, Richard dreht noch mehr durch, wenn wir uns benehmen wie kleine Kinder. Dann bekommen wir und Mama ziemlichen Ärger mit ihm.
    Er packt mich am Hosenboden und stellt mich vor der Treppe ab.
    “Du gehst jetzt nach oben, du kleines Stück Dreck.” Obwohl ich weiß, dass er direkt hinter mir steht, scheint seine Stimme von weit weg zu kommen.
    “Emma?” weine ich.
    “Sie ist nicht hier.” Er stößt mich mit dem Knie die zweite Stufe hinauf.
    “Wo ist sie?” Ich flüstere, weil ich zum lauten Reden viel mehr Luft bräuchte, und um tief Luft zu holen, tut mein Bauch zu weh.
    “Emma?” Ich drehe den Kopf und flüstere, so laut ich kann, damit meine Worte an Richard vorbeikommen.
    “Ich hab’s dir gesagt.” Jetzt hat er mich in unser Zimmer geschubst und steht im Türrahmen. “Sie ist nicht da.” Er legt den Kopf in den Nacken, um auch noch den letzten Tropfen Bier aus der Dose zu trinken. “Und jetzt komm her.” Er winkt mich mit der Dose heran, aber ich warte nicht länger.
    Wie eine Kugel aus Mr. Wilsons Gewehr schieße ich auf ihn zu, drücke mich an ihm vorbei, dass er fast das Gleichgewicht verliert, springe die Treppe hinunter, indem ich drei Stufen auf einmal nehme. Um Zeit zu gewinnen, habe ich die Tür hinter mir zugeworfen. Als ich den Pfad zum Diamantenfluss erreiche, höre ich ihn brüllen.
    “Komm sofort her, Mädchen!”
    Ich stolpere über eine Wurzel.
    “Pass bloß auf”, schreit er.

Weitere Kostenlose Bücher