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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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damit meine Augen sich schneller daran gewöhnen, aber selbst das funktioniert nicht, weil Mr. Wilson vor dem Eingang steht und kein Tageslicht hineinfallen kann. Erst als er auch hereinkommt, kann ich ein paar Umrisse erkennen. Viele Regale. Sehr viele Dosen, vielleicht Farbdosen, aber das weiß ich nicht genau. Eine Menge alte Töpfe und Pfannen. Ein Rasenmäher, das ist komisch, weil es hier gar keinen Rasen gibt. Glasbehälter für ich weiß nicht was. Und eine Kiste, die an einer Wand hängt. Nach ein paar Mal Blinzeln und Zwinkern entdecke ich fasziniert, dass in der Kiste noch mehr Gewehre sind.
    “Wow”, sage ich. “Sie haben ja eine Menge Waffen.”
    Er schaut erst mich an, dann wieder in die Kiste. “Schätze das stimmt. Aber nicht annähernd so viele, wie manch anderer hier draußen.”
    “Wie viele haben denn die anderen?”
    “Dutzende.” Er nimmt einen Lappen von einem Regal direkt über der Kiste und nimmt sein Gewehr auseinander. “Der alte Plemmons hatte um die hundert. Als er starb, war es schwer genug Leute zu finden, um sie zu verteilen.”
    Es ist lustig, wenn Mr. Wilson jemand anderes alt nennt.
    “Wie viele haben Sie?”
    “Sechs. Das hier ist mein Arbeitsgewehr. Und das hier ist für die Eichhörnchenjagd. Es gibt für jedes Gewehr einen Grund, warum ich es habe.”
    “Was ist ein Arbeitsgewehr?”
    “Arbeit heißt auf die Jagd gehen und das Abendessen nach Hause bringen. Das ist Arbeit.”
    “Darf ich das hier mal ausprobieren?” Ich zeige auf ein kleineres Gewehr, das aussieht, als würde es meiner Schulter nicht so wehtun.
    Mr. Wilson schüttelt den Kopf. “Du bleibst besser bei dem hier und lernst richtig damit umzugehen. Danach kommt dir jedes andere ganz einfach vor. So, jetzt hilf mir mit dem Reinigungsmittel. Wir nehmen es mit nach draußen, wo Licht ist, und ich zeig’ dir, wie man ein Gewehr anständig reinigt.”
    Offenbar verziehe ich das Gesicht genauso wie ich es tue, wenn Mama mich zum Putzen ruft, denn Mr. Wilson sagt: “Mach jetzt kein Theater, Kind, oder du wirst dieses Gewehr nie mehr anfassen.”
    “Ja, Sir.” Es ist ganz einfach, sofort ein anderes Gesicht zu machen.
    Er reicht mir eine Kanne, die nach Benzin richt, ein paar schmutzige steife Lappen und eine Bürste.
    “Wie ist dein Daddy gestorben?” fragt er, als wir zu einem Baumstumpf vor der Veranda gehen. “Zu viel Alkohol?”
    “Einbrecher”, erkläre ich. “Meine Schwester hat gesehen, wie es passiert ist, aber sie war noch sehr klein. Mama sagt, sie kann sich zum Glück nicht erinnern.”
    “Wieso wohnt ihr hier, wenn ihr so reich seid, dass jemand bei euch einbrechen will?”
    “Wir sind nicht reich.” Mehr weiß ich nicht zu sagen.
    Er gibt einen Ton von sich, als ob er mir nicht glaubt.
    “Echt nicht!”
    “Sie müssen deinen Daddy doch aus irgendeinem Grund getötet haben. Vielleicht haben sie alles mitgehen lassen, und deswegen müsst ihr jetzt auf dem Land leben.”
    Ich weiß nicht, was Mr. Wilson mit “auf dem Land” meint. Aber wenn er damit am Ende der Welt meint, dann hat er wohl Recht. Aber wir sind nicht reich, das weiß ich ganz sicher.
    “Hilf mir mit dem Geschirr”, sagt Mama. Ihr Stuhl kratzt über den Küchenboden, als sie vom Abendessen aufsteht.
    Sie trägt ihren und Daddys Teller zum Spülbecken. Dann steckt sie den Stöpsel in den Abfluss und lässt das Wasser laufen, während ich den Stuhl hinübertrage, damit ich mich darauf stellen und Schaum machen kann.
    Das Wasser läuft durch die Dose, in die Daddy Löcher gebohrt hat, aber wir haben nicht genug Seife, um Schaum zu machen.
    “Mama. Wir brauchen mehr Seife”, rufe ich über das Wasserrauschen hinweg.
    “Schon gut, schon gut. Die Seife im Badezimmer hat schon immer dafür hergehalten. Lauf nach oben und hol sie.”
    Sobald von einem Seifenstück nur noch ein Splitter übrig ist, stecken wir es in die Dose. Als ich wieder in die Küche komme, räumt Mama gerade die Salz- und Pfefferstreuer weg.
    “Hier.” Ich will ihr die Seife geben, aber sie deutet nur auf die Dose, also klettere ich wieder auf meinen Stuhl und lege sie hinein. Als dann das Wasser durchläuft, kommt endlich Schaum heraus und ich kann das Geschirr spülen.
    “Verbrauch nicht zu viel Wasser. Und wenn du fertig bist, bringst du die Seife wieder nach oben.”
    “Wieso?”
    “Wir müssen uns auch noch irgendwie waschen.” Mama wirft eine Schranktür zu.
    “Ich dachte die Seife in der Dose wäre nur für das

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