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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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in Erwartung. In Erwartung auf was weiß ich nicht.
    Ich will den Aufkleber von Herrn Erdnuss abkratzen. Danach werde ich den Teppich richtig gut ausklopfen, aber zuerst …
    Das Etikett ist nur in der Mitte festgeklebt, also versuche ich, einen Fingernagel darunter zu schieben, damit es nicht reißt und ich alles auf einmal abziehen kann.
    Beinahe geschafft. Die Dose hat einen Plastikdeckel “für lang anhaltende Frische”. Diese Dose haben wir schon seit Jahren. Mama füllt immer eine Handvoll Nüsse in eine cremeweiße Schale, die meine Oma ihr zum Einzug geschenkt hat – und wenn später noch welche übrig sind, schüttet sie die wieder vorsichtig in die Dose, die sie dann ins Regal stellt. Mein Cousin Sonny hat mal alle Nüsse angetatscht, nachdem er vorher Hundekacke von seinem Schuh gekratzt und nicht mal seine Hände gewaschen hatte (und ich weiß, dass Mama das gesehen hat), und trotzdem schüttete sie den Rest wieder zurück in die Dose.
    “Warum will Mama nicht, dass Oma uns besucht?” fragt Emma. Sie drückt den Schaum aus dem Lappen, den sie vorher im Eimer eingeweicht hatte. Wir haben ein bestimmtes Putzsystem: Emma wäscht und wringt aus, dann schrubbe ich den Boden, bis der Lappen wieder schmutzig ist, und anschließend wiederholen wir das Ganze an einer anderen Stelle.
    “Ich denke, das werden wir noch früh genug erfahren.”
    “Sie wird uns nichts sagen.”
    “Ich weiß, Dummerchen.” Ich schiebe mir eine Haarsträhne hinters Ohr, um besser zu sehen, was ich tue. “Aber wir werden es sicher erfahren, wenn sie erst mal hier ist, oder?”
    “Begrüßt man so seine Familie?” Oma wuchtet ihren Körper aus dem Auto. Sie meint mich und Emma. Wir bleiben nah bei der Verandatreppe für den Fall, dass Mama uns richtig eins überbraten will, jetzt, wo die Hausarbeit erledigt ist.
    “Los, die beiden haben doch wohl eine richtige Umarmung verdient, oder nicht?” sagt Mama in unsere Richtung. Ich weiß, dass ihr freundlicher Ton gekünstelt ist, aber außer mir bemerkt das bestimmt niemand.
    Omas Reisekleid riecht nach Bleichmittel. Tante Lillibit beugt sich nicht zu uns nach unten, um uns zu umarmen, sie tätschelt nur unsere Köpfe und zieht dann die Hand zurück, als habe sie sich auch das anders überlegt.
    Mama schnattert ohne Pause los. Wie war die Fahrt? Seid ihr müde? Habt ihr Hunger? Ich habe Brot gebacken, Mama, ich kann dir eine Scheibe schmieren. Was ist mit dir, Lil? Oh, was für eine schöne Frisur – hier gibt es keinen Friseur, der so was kann, das könnt ihr mir glauben. Das ist zu schwer, Mama. Lass mich das doch einfach tragen.
    Sie plappert und plappert. Und ich und Emma, nun, wir fühlen uns wie der Hund, der einem Auto hinterher jagt und es schließlich einholt. Wir haben keine Ahnung, was wir jetzt, wo Oma endlich da ist, tun sollen. Und so, wie sie uns ansieht, scheint es ihr genauso zu gehen.
    “Au!”
    “Halt still, Kind”, sagt Oma. “Beweg den Kopf nicht.”
    “Du
ziehst
zu fest. Au!”
    “Dein Haar …” Sie beendet den Satz nicht, schiebt mich zur Seite, damit sie vom Bett aufstehen kann. Als sie das Zimmer verlassen hat, werfe ich einen Blick auf das Bett. Sie hat die Bürste, in der ganze Haarbüschel stecken, liegen gelassen.
    Was ich sehe, als sie zurückkommt, gefällt mir gar nicht.
    “Oma, nein!”
    “Halt still oder es wird nur noch schlimmer.” Sie schnippt mit der Schere durch die Luft, als wolle sie sie aufwärmen.
    “Ich kann sie bürsten.” Ich versuche, sie aufzuhalten, aber ihre Finger krallen sich in meinen Kopf, und so kann ich ihn weder bewegen noch die Bürste erreichen.
    “Deine Mama”,
schnipp
, “hätte das”,
schnipp
, “schon vor Jahren”,
schnipp
, “tun müssen.”
Schnipp.
    “Oma!”
    Schnipp.
    “Bitte, Oma”, heule ich. Aber es ist zu spät – verfilzte Haarbüschel fallen in meinen Schoß und links und rechts von mir auf den Boden.
    “Halt still.”
    Sie schneidet im Rhythmus zu meinem Schluchzen.
    “Warum bist du überhaupt gekommen?” frage ich, als meine Tränen getrocknet sind.
    “Ach, sei still. Du weißt genauso gut wie ich, warum ich gekommen bin, also halt den Mund.” Das kalte Metall gleitet meinen Nacken entlang und lässt mich erschauern. “Ich gleiche jetzt nur noch die Länge an, dann sind wir fertig.”
    Ich schaue nicht in den Spiegel, weil ich gar nicht wissen will, wie kurz die Haare sind. Kurze Haare kann ich nicht ausstehen.
    “Gar nicht so schlecht, wenn ich das von mir selbst behaupten

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