Ich finde dich
Werkzeugkasten, die Handschellen, die nackte, schreckliche, lähmende Angst, der plötzliche Halt, das Knirschen, als seine Luftröhre zerbrach wie ein Bündel Reisig. Ich schloss die Augen und versuchte, die Bilder aus dem Kopf zu vertreiben.
Dann sagte ich, mehr zu mir selbst als zu State Trooper Ong: »Ich bin mir sicher, ich habe einen von ihnen umgebracht.«
»Wie bitte?«
Jetzt hatte ich Tränen in den Augen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte einen Menschen getötet, aber es war ein Unfall gewesen und Notwehr. Ich musste es jemandem erklären, konnte es nicht einfach für mich behalten, auch wenn mir klar war, dass man das nicht tun sollte. Viele Studenten, die im Hauptfach Politikwissenschaft belegten, besuchten auch Vorbereitungskurse für ein Jurastudium. Die meisten meiner Professorenkollegen hatten sogar eine Zulassung als Rechtsanwalt. Ich wusste alles Mögliche über die Verfassung, Grundrechte und die Funktionsweise unseres Rechtssystems. Aber kurz zusammengefasst konnte man Folgendes festhalten: Man musste aufpassen, was man sagte. Was man einmal gesagt hatte, ließ sich nicht wieder aus der Welt schaffen. Ich wollte reden – musste reden. Aber ich konnte nicht einfach mit einem Mordgeständnis herausplatzen.
Ich hörte eine Sirene, kurz darauf kam der Krankenwagen an.
State Trooper John Ong leuchtete mir wieder mit der Taschenlampe in die Augen. Das war kein Zufall. »Mr Fisher?«
»Ich möchte jetzt meinen Anwalt anrufen«, sagte ich.
Ich habe keinen Anwalt.
Ich bin ein alleinstehender Professor an einem College ohne Vorstrafen oder ein erwähnenswertes Vermögen. Wozu hätte ich einen Anwalt gebraucht?
»Okay, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, sagte Benedict.
Also hatte ich Benedict angerufen. Benedict hatte zwar keine Zulassung als Anwalt, aber immerhin hatte er in Stanford einen Jura-Abschluss gemacht. Ich saß auf einer dieser Krankentragen, die mit so etwas Ähnlichem wie Schlachterpapier bedeckt war. Wir waren in der Notaufnahme eines kleinen Krankenhauses. Der Bereitschaftsarzt – der fast so erschöpft aussah, wie ich mich fühlte – hatte mir gesagt, dass ich vermutlich eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hatte. Meine Kopfschmerzen passten zu dieser Diagnose. Außerdem hatte ich diverse Quetschungen, Schnittwunden und vielleicht eine Verstauchung davongetragen. Die Bisswunde konnte er nicht richtig einordnen. Mit dem Abklingen der Adrenalinschübe gewannen die Schmerzen langsam die Oberhand. Der Arzt hatte versprochen, mir ein paar Oxycodon -Schmerztabletten zu verschreiben.
»Ich höre«, sagte ich.
»Die gute Nachricht ist, dass die Cops glauben, du wärst vollkommen übergeschnappt, so dass sie dir kein Wort glauben.«
»Und die schlechte Nachricht?«
»Ich neige dazu, ihnen beizupflichten, wobei ich allerdings noch die Möglichkeit alkohol-induzierter Halluzinationen in Betracht ziehen würde.«
»Ich wurde überfallen.«
»Ja, das sagtest du schon«, meinte Benedict. »Zwei Männer, Pistolen, ein Transporter, irgendetwas mit Elektrowerkzeugen.«
»Werkzeug. Von Elektro hat niemand etwas gesagt.«
»Entschuldigung, mein Fehler. Außerdem hast du sehr viel getrunken und bist mit einer Fremden ins Bett gehüpft.«
Ich zog meine Wade hoch, um ihm die Bisswunde zu zeigen. »Und wie erklärst du dir das?«
»Wendy muss ziemlich wild gewesen sein.«
»Windy«, korrigierte ich. Es war zwecklos. »Und was jetzt?«
»Ich will ja nicht prahlen«, sagte Benedict, »aber ich hätte da einen qualitativ hochwertigen juristischen Rat für dich, falls du interessiert sein solltest.«
»Bin ich.«
»Hör auf zu gestehen, dass du einen Menschen getötet hast.«
»Wow«, sagte ich. »Und da wolltest du nicht prahlen.«
»Steht fast wortwörtlich in vielen juristischen Lehrbüchern«, sagte Benedict. »Okay. Also, das Kennzeichen, das du der Polizei genannt hast, gibt es nicht. Es gibt keine Leiche, keinerlei Anzeichen für Gewalt oder ein Verbrechen – sondern nur für ein kleineres Vergehen, weil du, offensichtlich betrunken, unerlaubterweise ein Privatgrundstück betreten hast, indem du einen Hang heruntergestürzt bist. Die Polizei ist bereit, dich mit einem Strafzettel davonkommen zu lassen. Wie wäre es, wenn wir einfach nach Hause fahren und dort in Ruhe über alles nachdenken?«
Dagegen war nicht viel zu sagen. Es war schlau, von hier zu verschwinden, zum Campus zu fahren, mich zu sammeln, auszuruhen und dann nüchtern und im Licht
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