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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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des neuen Tages, über das, was geschehen war, nachzudenken. Außerdem hatte ich ein Semester lang ein Seminar über den Verfassungsartikel 101 gegeben. Der 5. Zusatzartikel zur Verfassung schützte einen davor, sich selbst zu belasten. Vielleicht sollte ich mich darauf berufen.
    Benedict fuhr. In meinem Kopf drehte sich alles. Der Arzt hatte mir eine Spritze gegeben, woraufhin ich abgehoben und mitten im Land der Glückseligkeit wieder gelandet war. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, aber selbst wenn man den Alkohol und die Medikamente außer Acht ließ, konnte man die Lebensgefahr, in der ich geschwebt hatte, nicht wegdiskutieren. Ich hatte buchstäblich um mein Leben kämpfen müssen. Was ging hier vor? Und was um alles in der Welt hatte Natalie damit zu tun?
    Als wir auf den Mitarbeiterparkplatz fuhren, sah ich einen Wagen der Campus-Polizei in der Nähe meiner Wohnungstür. Beim Aussteigen wurde mir so schwindelig, dass ich mich einen Moment am Wagen festhalten musste. Als ich wieder sicher auf den Beinen stand, ging ich vorsichtig den Weg entlang. Evelyn Stemmer war die Chefin der Campus-Polizei. Sie war eine zierliche Frau, die viel lächelte. Im Moment lächelte sie nicht.
    »Wir haben versucht, Sie zu erreichen, Professor Fisher«, sagte sie.
    »Man hat mir mein Handy geklaut.«
    »Verstehe. Hätten Sie etwas dagegen, mich zu begleiten?«
    »Wohin?«
    »Zum Haus des Präsidenten. Präsident Tripp will Sie sprechen.«
    Benedict trat zwischen uns. »Worum geht’s, Evelyn?«
    Sie sah ihn an, als wäre er gerade aus dem Rektum eines Nashorns gefallen. »Das Reden würde ich lieber Präsident Tripp überlassen. Ich bin nur der Laufbursche.«
    Ich war zu weggetreten, um zu protestieren. Und was hätte das auch gebracht? Benedict wollte mitkommen, aber ich dachte, es wäre meiner Position nicht unbedingt dienlich, wenn ich bei meinem Boss in Begleitung meines besten Freundes erschien. Auf dem Beifahrersitz des Wagens der Campus-Polizei befand sich eine Art Computer. Also musste ich wie ein echter Verbrecher hinten sitzen.
    Der Präsident wohnte auf 900 Quadratmeter Wohnfläche in einer 22-Zimmer-Villa, die in einem Stil gebaut war, den Experten als zurückhaltende Neugotik bezeichneten. Ich wusste nicht genau, was das bedeutete, auf jeden Fall handelte es sich um ein ziemlich beeindruckendes Bauwerk. Ich wusste auch nicht, wozu wir den Polizeiwagen brauchten – die Villa lag auf einem Hügel mit Blick auf die Sportplätze, keine vierhundert Meter vom Mitarbeiterparkplatz entfernt. Nachdem sie vor zwei Jahren komplett renoviert worden war, bot die Villa nicht nur Platz für die junge Familie des Präsidenten, sondern, was viel wichtiger war, auch für den bunten Reigen der diversen Fundraising-Events.
    Ich wurde in ein Büro eskortiert, das genauso aussah, wie man sich das Büro eines College-Präsidenten vorstellte, vielleicht etwas schicker und eleganter. Und wenn ich es mir recht überlegte, galt das auch für den neuen Präsidenten selbst. Jack Tripp trat schnittig und auf Hochglanz poliert auf, ganz im Corporate Design eines Colleges, mit schlaff herabhängenden Haaren und überkronten Zähnen. Er versuchte, sich den College-Gepflogenheiten anzupassen, indem er Tweed-Anzüge trug, allerdings waren seine Anzüge viel zu gut geschnitten und kostspielig, um wirklich professoral zu wirken. Die Lederflicken auf den Ellbogen waren viel zu akkurat. Die Studenten verspotteten ihn als »Poser«, und obwohl ich nicht hundertprozentig wusste, was das beinhaltete, schien es mir passend.
    Ich habe gelernt, dass Menschen immer einen Ansporn brauchen, also ließ ich beim Präsidenten etwas Nachsicht walten. Sein Job bestand darin, Geld aufzutreiben – auch wenn das in dieser Umgebung gerne mit hochtrabenden, akademischen Begriffen verbrämt wurde. Sein Hauptaugenmerk war also darauf gerichtet, und zwar vollkommen zu Recht. Nach meiner Erfahrung waren die besten Präsidenten diejenigen, die ihre Agenda wenig hochtrabend darboten. So gesehen machte Präsident Tripp einen ziemlich guten Job.
    »Nimm Platz, Jacob«, sagte Tripp und sah die Chefin der Campus-Polizei hinter mir an. »Evelyn, würden Sie beim Hinausgehen bitte die Tür schließen?«
    Ich tat, was Präsident Tripp mir gesagt hatte. Evelyn Stemmer auch.
    Tripp saß hinter seinem mit Schnitzereien verzierten Schreibtisch. Es war ein sehr großer Schreibtisch. Zu groß, zu wuchtig und zu selbstdarstellerisch. Wenn ich schlecht gelaunt war, merkte ich oft an, dass

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