Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
sehen.
»Juliette Ferrars.« Mein Name klingt wie eine Explosion. Ein schwerer Stiefel sitzt mir im Rücken, und ich kann den Kopf nicht heben. »Dämpfen Sie das Licht, Weston. Sie können sie loslassen. Ich will ihr Gesicht sehen.« Die Stimme ist kühl und stählern, gefährlich ruhig, mühelos machtvoll.
Das Licht wird schwächer, und meine Augen erholen sich. Ich spüre noch den Abdruck des Stiefels im Rücken, kann mich aber aufrichten.
Als Erstes fällt mir auf, wie jung er ist. Er kann kaum älter sein als ich.
Er hat irgendeine Machtposition, aber ich weiß nicht, welche. Seine Haut ist makellos, das Kinn kantig und kraftvoll. Die Augen schimmern in einem hellen Smaragdgrün.
Er ist wunderschön.
Das schiefe Grinsen wirkt angestrengt böse.
Den schlichten Stuhl, auf dem er in dem leeren Raum sitzt, scheint er für einen Thron zu halten. Seine Uniform ist tadellos gebügelt, die blonden Haare sind perfekt gekämmt. Seine Soldaten wirken wie der Inbegriff von Bodyguards.
Ich hasse ihn auf Anhieb.
»Du bist so trotzig.« Die grünen Augen sind fast durchscheinend. »Auf nichts lässt du dich ein. Nicht mal zu deinem Zellengenossen bist du nett.«
Ich zucke unwillkürlich zusammen. Der Verrat treibt mir die Röte ins Gesicht.
Das scheint Grünauge amüsant zu finden, und ich würde gern vor Scham im Boden versinken. »Das ist doch mal interessant.« Er schnippst mit den Fingern. »Bitte vortreten, Kent.«
Mir bleibt das Herz stehen, als Adam erscheint. Kent. Er heißt Adam Kent .
Ich stehe von Kopf bis Fuß in Flammen. Adam tritt neben Grünauge, nickt aber nur kurz zum Gruß. Vielleicht ist der Führer nicht so bedeutsam, wie er selbst glaubt.
»Sir«, sagt Adam.
Gedanken verheddern sich in meinem Kopf, ich kann sie nicht entwirren. Ich hätte es wissen müssen. Es gab Gerüchte über Soldaten, die als Spione leben und der Regierung alles Verdächtige melden. Tagtäglich verschwanden Leute, und sie kehrten nie zurück.
Dennoch verstehe ich nicht, weshalb Adam auf mich angesetzt wurde.
»Sie haben offenbar mächtig Eindruck gemacht auf sie.«
Ich mustere den Mann auf dem Stuhl. Seine Uniform ist mit kleinen farbigen Stoffstücken benäht. Militärische Abzeichen. Am Kragen ist sein Nachname aufgestickt: Warner.
Adam schweigt. Er schaut mich nicht an. Steht kerzengerade da, groß und wunderschön muskulös, ruhig und stark. Die Arme, die mich hielten, dienen nun tödlichen Waffen.
»Wollen Sie nichts dazu sagen?« Warner blickt zu Adam auf und weist mit dem Kopf in meine Richtung. Seine Augen funkeln amüsiert.
»Sir«, äußert Adam nur.
»Natürlich.« Warner verzieht gelangweilt das Gesicht. »Was sollten Sie auch zu sagen haben.«
»Werden Sie mich töten?« Die Worte platzen aus mir heraus, und schon bohrt sich ein Gewehr in meinen Rücken. Ich krümme mich mit einem Wimmern, den Mund auf dem schmutzigen Boden.
»Das war überflüssig, Roland.« Warners Stimme trieft vor gespielter Enttäuschung. »Wenn ich in ihrer Lage wäre, würde ich mich das wohl auch fragen.« Kurze Stille. »Juliette?«
Ich hebe mühsam den Kopf.
»Ich möchte dir etwas vorschlagen.«
9
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe.
»Du hast etwas, das ich brauche.« Warner starrt mich an.
»Was soll das heißen?«, murmle ich.
Er holt tief Luft, steht auf, schreitet durch den Raum. Adam rührt sich nicht von der Stelle. »Du bist eine Art Lieblingsprojekt von mir.« Warner lächelt in sich hinein. »Ich studiere seit langer Zeit deine Akten.«
Ich kann dieses selbstgefällige aufgeblasene Gehabe nicht ertragen. Möchte ihm das Grinsen vom Gesicht fetzen.
Warner bleibt stehen. »Ich würde dich gern in meinem Team haben.«
»Was?«, krächze ich verblüfft.
»Wir befinden uns in einem Krieg «, erwidert er, leicht ungeduldig. »Vielleicht kommst du jetzt von selbst drauf, was ich von dir will.«
»Ich weiß nicht –«
»Ich kenne dein Geheimnis, Juliette. Ich weiß, warum du hier bist. Dein Leben ist in Krankenhausakten dokumentiert, in chaotischen Gerichtsprozessen, Bürgerbegehren, dich wegzusperren.« Er hält inne. Das Grauen würgt mich. »Ich denke schon lange darüber nach, aber ich wollte erst sicher sein, dass du nicht wirklich psychotisch bist. Das ließ sich in Isolationshaft nicht schlüssig beweisen, obwohl du dich gut gehalten hast.« Sein Lächeln besagt, dass ich für dieses Lob dankbar sein soll. »Kent habe ich dir als eine Art Test geschickt. Ich wollte wissen,
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