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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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da irrst du dich.«
    Ich lüge vielleicht, aber das geht ihn nichts an.
    Er schnaubt, und der Laut bildet ein Echo in der stillen Luft zwischen uns. Ich schaue nicht auf. Will den Blick nicht sehen, der mich durchbohrt. Ich schmecke die abgestandene verbrauchte Luft und seufze. In meinem Hals steckt etwas fest, etwas Altbekanntes, das ich gelernt habe hinunterzuschlucken.
    Es klopft zweimal an der Tür, und meine Gefühle springen vor Schreck an ihren Platz zurück.
    Zellengenosse ist im Nu auf den Beinen.
    »Da ist niemand«, sage ich zu ihm. »Nur das Frühstück.« 265 Mal Frühstück, und ich weiß noch immer nicht, woraus es besteht. Es riecht nach Chemikalien; ein formloser Klumpen, immer im Extremzustand. Zu süß oder zu salzig, aber auf jeden Fall widerlich. Meist bin ich zu ausgehungert, um das zu bemerken.
    Ich höre, wie Zellengenosse einen Moment zögert, bevor er sich der Tür nähert. Er schiebt den Schlitz auf und späht hinaus in eine Welt, die es nicht mehr gibt.
    » Scheiße! « Er reißt das Tablett durch die Öffnung und schlägt dann seine Hand an seine Brust. »Scheiße, Scheiße .« Er ballt die Finger zur Faust und beißt die Zähne zusammen. Hat sich die Hand verbrannt. Ich hätte ihn warnen können, wenn er mir zugehört hätte.
    »Man muss mindestens drei Minuten warten, bevor man das Tablett anfasst«, sage ich zur Wand. Ich schaue nicht auf die hellen Narben an meinen kleinen Händen, auf die einstigen Brandwunden. »Das machen die, glaube ich, mit Absicht«, füge ich leise hinzu.
    »Ach, jetzt redest du mit mir?« Er ist wütend. Seine Augen funkeln, bevor er wegschaut, und ich merke, dass es ihm vor allem peinlich ist. Er ist ein harter Bursche. Zu hart, um vor den Augen eines Mädchens dumme Fehler zu machen. Zu hart, um Schmerz zu zeigen.
    Ich presse die Lippen zusammen und starre auf das kleine Glasquadrat, das sie Fenster nennen. Es sind nicht mehr viele Tiere übrig, aber ich habe Geschichten von Vögeln gehört, die fliegen. Eines Tages sehe ich vielleicht einen. Die Geschichten heutzutage sind so verworren, dass man nicht viel glauben kann. Aber ich habe von mehr als einer Person gehört, dass sie in den letzten Jahren einen fliegenden Vogel gesehen hat. Deshalb behalte ich das Fenster im Auge.
    Heute wird ein Vogel kommen. Er wird weiß sein und auf dem Kopf goldene Federn haben wie eine Krone. Er wird fliegen. Heute wird ein Vogel kommen. Er wird weiß sein und auf dem Kopf goldene Federn haben wie eine Krone. Heute wird ein –
    Die Hand.
    Auf mir.
    Zwei Fingerspitzen
    streifen meine Schulter kaum eine Sekunde, und alle Muskeln alle Sehnen meines Körpers sind angespannt und verknotet und krallen sich in mein Rückgrat. Ich bin reglos. Ich rühre mich nicht. Ich atme nicht. Wenn ich mich nie mehr bewege, kann ich dieses Gefühl vielleicht behalten.
    Seit 265 Tagen hat mich niemand berührt .
    Manchmal denke ich, die Einsamkeit in mir wird durch meine Haut brechen, und manchmal weiß ich nicht, ob ich die Hysterie durch Weinen, Schreien oder Lachen bezwingen kann. Manchmal sehne ich mich so verzweifelt danach, zu berühren, berührt zu werden, zu fühlen , dass ich meine, in einem Paralleluniversum, wo mich niemand je finden wird, von einer Klippe zu stürzen.
    Das ist durchaus denkbar.
    Ich schreie seit Jahren, ohne gehört zu werden.
    »Hast du keinen Hunger?« Seine Stimme klingt tiefer, ein bisschen besorgt.
    Ich hungere seit 265 Tagen . »Nein.« Das Wort ist kaum mehr als ein zerfetzter Atemzug, als es über meine Lippen kommt, und ich wende mich ihm zu, obwohl ich das lassen sollte. Er starrt mich an. Forschend. Sein Mund ist leicht geöffnet, die Arme hängen reglos an seiner Seite, er blinzelt, verwirrt.
    Etwas schlägt mir in den Magen.
    Seine Augen. Da ist etwas mit seinen Augen.
    Er ist es nicht er ist es nicht er ist es nicht .
    Ich packe die Welt weg. Schließe sie ein. Drehe den Schlüssel um.
    Schwärze begräbt mich in ihren Falten.
    »Hey –«
    Meine Augen brechen auf. Zwei zerschlagene Fenster, die meinen Mund mit Glassplittern füllen.
    »Was ist los?« Seine Stimme klingt angestrengt achtlos, bemüht unbeteiligt.
    Nichts .
    Ich konzentriere mich auf das durchsichtige Quadrat zwischen mir und der Freiheit. Ich will diese Betonwelt zerstören. Ich will größer, besser, stärker sein.
    Ich will wütend wütend wütend sein .
    Ich will der Vogel sein, der wegfliegt.
    »Was schreibst du?« Zellengenosse spricht wieder.
    Diese Worte sind Auswurf .
    Dieser

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