Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
von zwei verhältnismäßig schlichten Fragen: Hatte ich irgendetwas gesagt oder getan, was man als Drohung verstehen konnte, Carl F. und seiner Familie Gewalt anzutun? Und war ich im Besitz eines rechtmäßigen Anspruches gewesen, eines legal claim , als ich nach Florida kam, um mit ihm zu verhandeln?
Nachdem Donald VanHoose zwei Tage lang von drei Verteidigern ins Kreuzverhör genommen worden war, konnte einem der FBI-Mann eigentlich nur noch leidtun. Er war, vor Publikum, komplett demontiert worden. Er hatte Carl F. blind vertraut und sich von ihm manipulieren lassen, er beherrschte die simpelsten Grundsätze der Ermittlungstechnik genauso wenig wie die Gesetze der Logik. Und er hatte nahezu alles versäumt, was notwendig gewesen wäre, wenn er die Familie F. tatsächlich vor einer Bedrohung hätte schützen wollen.
Mit Sabine F. stand nun eine Frau als Zeugin vor Gericht, von der so mancher amerikanische Mann wohl sein Leben lang träumt: groß, blond, langhaarig, gekleidet in ein braves Matrosenkostüm. Sie hatte Carl F. vor über 20 Jahren kennengelernt und war ihm überallhin auf der Welt gefolgt, nach Spanien, nach Thailand und dann in die USA. Dann hatte, so berichtete sie dem Gericht, das Ehepaar erkannt, dass Florida der beste Ort auf der Welt war, an dem ihre Kinder aufwachsen könnten. Ihre Söhne waren inzwischen Teenager, ihre kleine Tochter war sieben und ihr besonderer Augenstern.
Sabine F. war 43 Jahre alt. Sie glaubte, was ihr Mann ihr erzählte, und sie tat, was er ihr sagte. In verschiedenen Firmen hatte er sie als Geschäftsführerin oder Inhaberin eingesetzt, ohne dass sie Näheres über deren Tätigkeit wusste. Sie nahm ihrem Mann nicht weiter übel, dass er ihr unangenehme Aspekte seiner geschäftlichen Situation verschwieg und sie über vergangene Strafverfahren belogen hatte – etwa die Tatsache, dass er in den neunziger Jahren in einem Bordell verhaftet worden war. Ihr Englisch war bescheiden, aber auf den immer wieder angebotenen Übersetzer verzichtete sie, weil sie «ein Mitglied der amerikanischen Gesellschaft» sein wollte. Das gab ihr Gelegenheit, bei schwierigeren Fragen um Wiederholung zu bitten – und sich Zeit mit der Beantwortung zu lassen. Ob sie selbst glaubte, was sie vor Gericht erzählte, blieb unter uns umstritten.
Dass sie um das Leben ihrer Kinder fürchten musste, und zwar aufgrund von Bedrohungen durch uns drei Angeklagte, hatte sie ausschließlich von ihrem Mann gehört. Andreas B., den sie ganz gut kannte, schilderte sie als friedliebenden Herrn mit tadellosen Manieren, Gerhard W. war ihr nie begegnet. Mich hatte sie ein paarmal getroffen, als ich in früheren Jahren zu Beratungen in Florida gewesen war, aber viele Worte hatten wir da nicht miteinander gewechselt.
Ein diffuses Gefühl der Bedrohung basierte bei ihr vor allem auf zwei Erlebnissen.
Mitte Dezember 2005 war vor ihrem Haus ein Mann in einem ziemlich schäbigen Auto vorgefahren und hatte sein Interesse an der Immobilie erklärt. Das war nicht besonders erstaunlich, denn das Haus der F.s stand zum Verkauf. Doch für Sabine F. passten das Auto und der schlechtgekleidete Mann nicht zu dem Kaufpreis, den sie sich erhoffte. Der Typ war ihr unheimlich, und sie verwies ihn an ihren Makler. Bloß: Was hatte das mit uns zu tun?
Das zweite «Ereignis» fand weit nach unserer Inhaftierung statt. Eines schönen Vormittags, als sich Gartenarbeiter auf dem Grundstück der F.s zu schaffen machten, fiel Sabine F.s Blick auf die große Mülltonne vor ihrer Tür. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie einfach es wäre, ihr kleines Mädchen in diese große Tonne zu stecken und abzutransportieren. Sie brach in Tränen aus, als sie diese schreckliche Vorstellung im Zeugenstand schilderte. Und sie beschloss an diesem Tag, ihre kleine Tochter, die doch schon so selbständig war, nicht mehr allein zur Schule gehen zu lassen. Das alles hatte zwar überhaupt nichts mit unserem Fall zu tun – aber es zeitigte Wirkung. Einige Jurymitglieder waren zu Tränen gerührt.
Wenn man die Aussage von Sabine F. heute schwarz auf weiß nachliest, ist die große Wirkung, die sie bei den Geschworenen hinterließ, kaum nachvollziehbar. Die Frau hatte nichts gesagt, was ernsthaft zum Beweis einer Bedrohung taugte. Aber sie hatte sich als liebende Mutter und Ehefrau präsentiert: Sie war eine von ihnen, die ihre Kinder in Fort Lauderdale großzogen oder schon großgezogen hatten. Und wir standen als Vertreter jener dunklen Mächte da, die
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