Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
allerdings nur auf Englisch.
Am Ende der zweiten Verhandlungswoche reisten Lisa Lou, Jakob und Jonathan nach Hamburg zurück. Schließlich gab es auch dort sehr viel zu tun. Nur meine älteste Tochter Anne Jo würde den Prozess bis zum Ende mitverfolgen.
Tagelang beschäftigten sich die Verfahrensbeteiligten jetzt mit allen möglichen Verästelungen der komplexen Geschäftsbeziehungen zwischen Andreas B., Carl F. und der ACCONSA. Mit der Frage, wer wem was schuldete, und mit finanziellen Transaktionen über amerikanische Banken. Das alles musste der Jury weitgehend unverständlich bleiben und spielte für die Urteilsfindung auch keine große Rolle. Allerdings bemühte sich Staatsanwalt Chris Clark immer wieder darum, mich als kriminelles mastermind hinter einer irgendwie dubiosen Verflechtung verschiedener Firmen darzustellen – auch wenn nichts von dem, was die ACCONSA betrieben hatte, ungesetzlich war.
Der letzte Zeuge der Anklage war der Anwalt Hermann W., der Kollege also, der Carl F. in dem Verfahren gegen ACCONSA vertreten hatte. Natürlich stand W. auf der Seite seines Mandanten. Doch das hatte die Zeugenaussage von VanHoose deutlich gemacht: Er war in seiner Parteilichkeit deutlich weiter gegangen, als ich es von einem Kollegen erwarten konnte. Er war über die Falle, die Carl F. und das FBI mir gestellt hatten, vollständig informiert gewesen, und er hatte mitgespielt.
Die für uns wichtigste Tatsache aber würde W. im Zeugenstand kaum bestreiten: dass die ACCONSA vor dem Hamburger Landgericht gegen seinen Mandanten Carl F. gewonnen hatte und dass dieses Urteil vorläufig vollstreckbar war. Dies wiederum bedeutete, dass der Vorwurf einer erpresserischen Absicht nicht nur gegen mich hinfällig war, sondern auch gegen meine Mitangeklagten: Selbst wenn andere Forderungen gegen Carl F. noch streitig waren, konnten auch Andreas B. und Gerhard W. nicht als Erpresser belangt werden, wenn nur ein Teil der Ansprüche durch ein Gericht als rechtmäßig festgestellt war.
Mein Kollege Hermann W. hat die Existenz dieses Urteils in seiner Zeugenaussage auch nicht bestritten. Ich hatte das Dokument mit Übersetzung und Apostille (einer international anerkannten Form der Beglaubigung) schließlich in meinem Reisegepäck mit in die USA gebracht. Aber er tat vor Gericht alles, um der Jury einzureden, wir hätten uns dieses Urteil auf irgendwie unlautere Weise erschlichen. Er titulierte die Entscheidung der Hamburger Richter wörtlich als «Katastrophe», und er beklagte, dass in diesem Prozess elementare Grundregeln eines jeden Gerichtsverfahrens nicht eingehalten worden seien. Das Urteil des Landgerichts Hamburg, so teilte er im Zeugenstand der Jury mit, werde deshalb in der Berufungsinstanz aufgehoben.
Ich verstehe bis heute nicht, was meinen Kollegen zu dieser Aussage bewogen hat. Hätten wir früher gewusst, dass er bereit war, ein Hamburger Gericht vor einer amerikanischen Jury dermaßen zu verunglimpfen, hätten wir wahrscheinlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eigene Zeugen zu diesem Thema in die USA zu holen.
Aber wir standen am Ende des Strafprozesses. W.s Aussage hatte uns zwar beunruhigt, aber wir sahen trotzdem nicht, auf welcher Grundlage die Jury mich «schuldig» sprechen sollte.
Es muss unter den Geschworenen heftige Diskussionen gegeben haben. Nachdem sie sich am 14. Verhandlungstag zur Beratung zurückgezogen hatten, verlangten sie, noch einmal alle Aufzeichnungen des FBI zu sehen und zu hören. Verschiedene technische Schwierigkeiten waren zu überwinden. Ein ganzer Tag verging, an dem ich in der Arrestzelle im Gericht saß und wartete. Dann wurde die Urteilsverkündung noch einmal auf den nächsten Tag verschoben.
Am Freitag, dem 21. April 2006, betraten die zwölf Jurymitglieder den Gerichtssaal. Es war 10 Uhr 36. Eines von ihnen, eine jüngere Frau, wirkte verweint. Der Sprecher der Jury übergab der Gerichtsschreiberin ein Blatt Papier. Jeanne Baker, meine Anwältin, die neben mir saß, nahm meine Hand und hielt sie ganz fest.
Der Richter forderte die Gerichtsschreiberin auf, das Dokument vorzulesen. Alle erhoben sich, und die Frau las vor:
«In der Sache USA gegen Reinhard Berkau stellen wir, die Jury, einstimmig fest:
Schuldig.»
In diesem Moment zeigte William Dimitrouleas zum ersten Mal eine deutlich wahrnehmbare Regung seiner Gefühle: Seine Kinnlade klappte herunter. Er war über dieses Urteil echt verblüfft. Interessant, dachte ich, so etwas habe ich noch nie gesehen.
Ich
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