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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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denen ich mich auseinanderzusetzen hatte. Und damit sollte ich dann zum Dritten im Bunde seiner angeblichen Erpresser und Bedroher werden.
    Ich war an diesem fatalen Vormittag des 14. Januar 2006 über diese Wendung in unserem Gespräch irritiert und verärgert gewesen. Schließlich war ich nicht nach Florida gekommen, um mir diffuse Befürchtungen der F.s anzuhören oder über Vorfälle zu sprechen, die längst Schnee von gestern waren – zumal der betreffende Anleger von der ACCONSA längst aus anderen Mitteln abgefunden worden war. Ich sagte deshalb, was dazu zu sagen war: dass er sich garantiert keine Sorgen machen müsse, wenn wir den Konflikt nun durch eine Einigung ein für alle Mal beenden könnten.
    Das sollte eine Erpressung darstellen? Am 6. Februar 2006, zwei Monate vor dem Prozess, hatte ich einen langen Brief an meine Anwältin geschrieben, in dem ich mich mit diesem Vorwurf ausführlich auseinandersetzte. «Berkau erklärte, dass er für die Sicherheit der Familie garantieren könne», so zitierte ich damals den amerikanischen Staatsanwalt. Und ich fragte Jeanne Baker: «Gut, ich habe gelernt, dass das, rechtlich gesehen, eine Erpressung darstellt. Aber was wäre die Schlussfolgerung, wenn ich gesagt hätte, dass ich nicht für die Sicherheit der Familie garantieren könnte? Du wirst mir erklären, Jeanne, dass dies auch eine Drohung und auch eine Erpressung wäre. Was also tun? Aufstehen und sofort die Polizei anrufen, wenn eine Frage wie diese während einer Geschäftsverhandlung aufkommt? Aber halt: Das kann auch eine Drohung sein! Täusche ich mich?»
    Damals war ich ziemlich fassungslos über die kafkaeske Logik des Systems, in das ich hineingeraten war. Jetzt, zwei Monate später, fühlte ich mich schon sehr viel besser. Die Aussagen von VanHoose hatten oft Gelächter im Gerichtssaal und bei Bill Schureck und Chris Clark offensichtliches Entsetzen ausgelöst. Es lief ziemlich gut für uns.
    In Dubio: Conspiracy
    Den Straftatbestand der conspiracy , der Verschwörung, gibt es im amerikanischen Recht schon seit über hundert Jahren. Diese strafrechtliche Klammer macht es möglich, praktisch das gesamte soziale Umfeld, in dem eine Straftat stattfindet oder auch nur beabsichtigt wird, zu kriminalisieren. Besonders bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität oder politischer Gruppen ist diese Möglichkeit von Beginn an ein willkommenes Instrument für die Strafverfolger gewesen. Inzwischen wird es in den USA aber praktisch gegen jede Form von Kriminalität eingesetzt und stellt eine Einladung zur Willkür dar: Der Vorwurf lautet conspiracy , wenn sich zwei Menschen darüber unterhalten, dass man doch mal versuchen könnte, eine Bank zu überfallen. Und wenn einer von den beiden sich dann zum Beispiel auf den Weg macht, um sich die Überwachungskameras in dieser Bank etwas genauer anzusehen. Conspiracy kommt als Vorwurf auch in Frage, wenn jemand auf der Party eines Drogendealers zu Gast ist. Wegen conspiracy kann ein Werkstattbesitzer verurteilt werden, in dessen Werkhalle nachts geklaute Autos umgespritzt werden, ohne dass er es mitbekommt. Die conspiracy erlaubt es, alle Personen im Umfeld einer Tat für alles verantwortlich zu machen, was auch nur einer von ihnen tut oder sagt.
    Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble schlug 2007 vor, im Zuge der Terrorbekämpfung auch in Deutschland den Straftatbestand der «Verschwörung» einzuführen. Er erntete dafür massive Kritik und hat diesen Vorstoß nicht weiterverfolgt. Ähnliche, aber erfolglose Proteste hatte es gegeben, als 1976 der Paragraph 129a ins deutsche Strafrecht eingeführt wurde: Er stellt die «Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung» unter Strafe. Auch hier können Menschen für Straftaten verurteilt werden, die andere begangen haben oder zu begehen beabsichtigen – wenn sie deren Zwecke explizit unterstützen. Dennoch gelten für die Anwendung dieses Paragraphen sehr viel deutlichere Einschränkungen als für die conspiracy im amerikanischen Recht.

14
    Die Verhandlungen an den 15 Prozesstagen, die zwischen dem 3. und dem 22. April 2006 vor dem Distriktgericht von Südflorida in Fort Lauderdale stattfanden, wurden von einem Protokollanten wortwörtlich mitgeschrieben und auf Tausenden Manuskriptseiten festgehalten. Allein die Akten, die meine Anwältin für diesen Prozess angelegt hat, füllen vier große Umzugskartons. Trotz dieser gigantischen Materialschlacht ging es in meinem Fall nur um die Aufklärung

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