Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Organized Crime Unit diente. Von internationalen Geschäftsbeziehungen verstand er nichts, wie er mehrmals freimütig bekannte, ebenso wenig beherrschte er irgendeine Fremdsprache. Donald VanHoose hatte am Silvestertag des Jahres 2005 von Bill Schureck erfahren, dass es einen neuen Fall gab, den er verantwortlich übernehmen sollte. Für Montagmorgen, den 2. Januar, um acht Uhr war ein Treffen im Haus von Carl F. angesetzt.
In den zwei Stunden, die sich die beiden Ermittler an diesem frühen Montagmorgen nahmen, um sich von angeblichen Erpressungsopfern den Fall schildern zu lassen, hatte Frau F. angeblich überhaupt nichts gesagt – bis auf die Frage, ob man Wasser oder Tee trinken wolle. Carl F., ein wohlhabender Geschäftsmann und Familienvater in einem der besten Wohnviertel von Fort Lauderdale, machte dafür einen überaus glaubwürdigen Eindruck auf Donald VanHoose. Fast kindlich beteuerte er in der Vernehmung immer wieder: «Ich habe F. geglaubt, weil er es so gesagt hat!» Er wusste nicht, dass es ein deutsches Gerichtsurteil gegen diesen honorigen Kaufmann gab – und als er es schließlich kennenlernte, verstand er es nicht. «Mit solchen Sachen kenn ich mich nicht aus», wiederholte er fast stereotyp.
VanHoose hatte auch nichts unternommen, um die F.s und ihre Kinder vor der angeblichen Bedrohung zu schützen. Er hätte Carl F.s Auto mit einer GPS-Ortungsbox ausstatten können, so etwas besaß das FBI. Er hätte durch einen Blick ins Telefonbuch feststellen können, ob die Adresse der Familie für jedermann zugänglich war. Er hätte versuchen können, etwas über unsere angebliche Tatwaffe, seinen angeblichen unmittelbaren Bedroher – Gerhard W. – herauszufinden, der mit Frau und Kindern zum Weihnachtsurlaub in Florida weilte. Nichts davon war geschehen.
Der FBI-Ermittler hatte noch ein weiteres Problem: Er konnte nichts von den Gesprächen verstehen, die Carl F. am Telefon und später auch mit uns im Haus von Andreas B. auf Deutsch führte. Er war auf Übersetzer angewiesen, und die brauchten viel Zeit, um Transkripte und Übersetzungen anzufertigen, diese nach Washington zu schicken, dort überprüfen, abzeichnen und wieder zurückschicken zu lassen. Für die Übertragung eines Telefongesprächs von fünf Minuten in die deutsche Sprache, so gab eine der FBI-Übersetzerinnen vor Gericht an, brauche sie vier Stunden, für ein Meeting von einer Stunde Dauer etwa drei Tage. So viel Zeit hatte VanHoose nicht, bevor er uns verhaften ließ.
Letztendlich war es auf den Inhalt des Gespräches am 14. Januar 2006 also nicht mehr angekommen. Meine Festnahme hatte bereits festgestanden, als mein Flugzeug auf dem Rollfeld von Miami zum Stehen kam. Schon an diesem 13. Januar hatte VanHoose einen Durchsuchungsbefehl für Andreas B.s Haus beantragt – und wie sich jetzt herausstellte, war dieser Antrag fast wortgleich mit der «Anklageschrift», die er drei Tage später dem Haftrichter vorlegte. Unser Termin mit Carl F. und seinem Anwalt hatte nur noch dem Zweck gedient, mich nach Florida zu locken, um mich zu verhaften.
VanHoose hatte Carl und Sabine F. mit versteckten Mikrophonen und einer Videokamera ausgestattet und ihnen genau gesagt, was sie zu tun hatten. Sie sollten, nach einigen Scheingefechten, alle unsere Forderungen und Bedingungen akzeptieren und sich so als willfährige Erpressungsopfer präsentieren. Und auch Hermann W., ihr deutscher Anwalt, wurde genau in diese Inszenierung eingewiesen. Ich verstehe bis heute nicht, warum mein Hamburger Kollege an diesem abgekarteten Spiel teilgenommen hat.
Während der FBI-Mann stundenlang, erst vom Staatsanwalt, dann von den Verteidigern befragt wurde, dämmerte mir allmählich, warum Carl F. in diesem Teil des Gespräches ganz unvermittelt auf ein paar Dinge zu sprechen gekommen war, die Jahre zurücklagen und hier eigentlich überhaupt nichts zu suchen hatten: Es hatte tatsächlich einmal eine ziemlich massive verbale Auseinandersetzung zwischen Carl F. und mir als dem rechtlichen Vertreter der ACCONSA in Deutschland gegeben. Einer der Anleger verlangte sein Geld zurück, und das lag bei Carl F. Um ihn auszahlen zu können aber war die ACCONSA auf die Rückgabe des Betrages angewiesen. Ich hatte F. im Rahmen einer unserer Verhandlungen ziemlich wütend auf diese Situation hingewiesen. Jetzt war er darauf plötzlich wieder zu sprechen gekommen. Er hatte mich dazu bringen wollen, etwas über die Gefährlichkeit der Anleger der ACCONSA zu sagen, mit
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