Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
hatte mich nach Meinung der Jury der «Verschwörung zu einer Erpressung» schuldig gemacht, außerdem war ich, so ein weiterer Anklagepunkt, aus dem Ausland eingereist, um diese Straftat zu begehen. Dasselbe Urteil wurde über Andreas B. gesprochen. Bei Gerhard W. entfiel nur der Vorwurf der «Auslandsreisen» – warum auch immer.
Dann wurden, auf Wunsch eines unserer Verteidiger, alle Jurymitglieder noch einmal einzeln gefragt, ob sie die Richtigkeit dieses Urteils bestätigten.
Zwölfmal hintereinander sagte einer nach dem anderen: «Ja, das ist mein Urteil.»
An meine eigenen Gefühle in dieser Situation kann ich mich nur undeutlich erinnern. Ich weiß, dass ich eine gewisse Verärgerung und Empörung empfand; ich fand das Urteil der Jury lächerlich und absurd. Aber dabei ging es mir eher so, wie ich mich als Anwalt manchmal gefühlt hatte, wenn ich fand, dass ich einen Prozess wirklich zu Unrecht verlor. Noch ließ ich das, was dieses Urteil für mein Leben bedeutete, nicht wirklich an mich herankommen.
Vermutlich hat niemand mehr hingehört, während sich der Richter bei der Jury bedankte und einige abschließende Worte sprach. Genau neun Minuten nachdem die Geschworenen den Saal betreten hatten, schloss der Gerichtsschreiber sein Protokoll. Die Verhandlung war beendet. Mehrere Leute im Gerichtssaal waren in Tränen ausgebrochen. Unter ihnen meine Tochter Anne, aber auch ein älterer marshal , der mich drei Wochen lang bewacht hatte.
Ich wurde abgeführt. In einer Besprechungszelle durfte ich, durch Gitterstäbe hindurch, noch einmal kurz meine beiden Anwälte, Jeanne Baker und Jan Jütting, sprechen. Wenige Minuten zuvor hatte ich noch zwischen ihnen gesessen und gehofft, als freier Mann das Gericht zu verlassen.
Gegen jede Vorschrift und Gepflogenheit sprach währenddessen ein junger, schwarzer marshal meine Tochter Anne an, die ziemlich aufgelöst auf dem Gerichtsflur stand, und forderte sie auf mitzukommen. Dass er sie zu uns in die Besprechungszelle lotste, hätte ihn seinen Job kosten können.
Ich weiß nicht mehr genau, worüber wir in dieser Situation geredet haben. Wahrscheinlich haben wir uns gegenseitig Mut zugesprochen und überlegt, welche Schritte jetzt als nächste zu tun wären. Lange ließ man uns ohnehin nicht beieinandersitzen.
Interview: «Unschuldig verurteilt – das passiert sogar den besten Anwälten im ganzen Land»
Jeanne Baker, Sie haben Reinhard Berkau verteidigt, können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit ihm erinnern?
Ja, klar. Ich hatte die Information, dass ein deutscher Anwalt verhaftet worden war, und war dann sehr überrascht über sein Aussehen – da saß ein Langhaariger, der eher wie ein Hippie wirkte. Ich dachte sofort, dass wir etwas tun müssen, damit er vor Gericht eher wie ein seriöser Kollege aussieht und nicht wie der Gitarrist einer Band.
Und wie ging es ihm damals, in den ersten Tagen nach der Verhaftung?
Er saß mir bei diesem ersten Besuch in einem sehr kleinen Raum schräg gegenüber. Er war völlig verstört, schockiert, fassungslos über das, was ihm passiert war. Er machte sich vor allem Sorgen um seine Gesundheit … und ich hatte anfangs auch große Sorge um ihn.
Konnten Sie sich vorstellen, wie er mit der Situation im Gefängnis zurechtkommt?
Er saß ja als federal prisoner in einem local jail , wo die meisten Leute wegen Gewaltverbrechen einsitzen. Sie sind ungebildet und arm und kommen aus einer Welt, zu der Gewalt einfach dazugehört. Der ethnische und soziale Hintergrund von Reinhard Berkau war natürlich ein ganz anderer. Ich war sehr beeindruckt und überrascht, wie er das hinbekommen hat, dort zurechtzukommen. Und wie es ihm gelungen ist, einen aufrechten Gang zu behalten und immer positiv zu bleiben.
Gibt es in solchen Situationen irgendwelche Methoden, die helfen, psychisch einigermaßen stabil zu bleiben?
Wir haben von Anfang an darüber gesprochen, und er hat auch sehr schnell verstanden, dass er gegen dieses Gefängnissystem nicht gewinnen kann. Dass es für ihn keinen Sinn hat, gegen alle möglichen Vorschriften und gegen das Wachpersonal zu rebellieren. Wenn man es sich im Gefängnis erlaubt, sich über jeden Angriff auf die eigene Würde aufzuregen, verliert man nur.
Reinhard Berkau hat sich praktisch von Anfang den guards gegenüber umgänglich und kooperativ gezeigt und hat sich, soweit möglich, an die dort herrschenden Regeln gehalten. Dadurch ist es ihm gelungen, in einem extrem stressigen Umfeld so wenig
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