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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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klar, und ich glaube, das wisst Ihr auch. Das Schwierigste für mich ist, hier ohnmächtig zu sitzen und Euch so wenig helfen zu können.»
    So wollte ich es gerne sehen. Aber für einmal hatte ich meine Kräfte falsch eingeschätzt.
    In der darauffolgenden Nacht begannen mich ungute Träume zu quälen. Am nächsten Morgen erinnerte ich mich nur bruchstückhaft daran: Es ging um ein Auto. Ein paar mir unbekannte Personen hatten etwas angestellt: Das Fahrzeug geklaut? Einen Unfall gebaut? Irgendwie hing ich da mit drin und wurde von der Polizei verfolgt.
    Nach dem Aufwachen fühlte mich unwohl. Ich spürte einen dumpfen Schmerz, besser ein dumpfes Drücken unterhalb meiner Brust, das von dort abwärts in meinen Bauch ausstrahlte. Ich versuchte, erst einmal tief durchzuatmen und mich zu entspannen. Doch das half überhaupt nichts, im Gegenteil. Ich begann intensiv zu schwitzen. Was geschah mit mir? War das ein Herzinfarkt? Oder ein Schlaganfall? Ich bekam es mit der Angst zu tun.
    Einer meiner roommates schaltete sofort, drückte den Alarmknopf in unserer Zelle und erklärte durch die Gegensprechanlage, dass ich ärztliche Hilfe brauchte. Dann ging alles sehr schnell: Ein Schließer kam in die Zelle und rief sofort zwei nurses. Ich war inzwischen schweißgebadet. Die beiden Krankenpfleger hatten ihren Notfallkoffer und checkten erst mal meinen Blutdruck: 63 zu 41, ein ganz ungewöhnlich niedriger Wert. Ich war aufgestanden, bemerkte aber ein leichtes Flimmern vor den Augen und musste mich sofort wieder hinsetzen. Irgendwer hatte schon einen Rollstuhl geholt, packte mich hinein und schob mich aus der Zelle in den Untersuchungsraum auf der infirmary.
    Dort wurde ich sofort an ein EKG angeschlossen. Ich begann, mich ein wenig zu beruhigen. Immerhin kümmerte man sich schnell und tatkräftig um meine Gesundheit. Kurz darauf stürmten zwei firefighters ins Behandlungszimmer. Eine blonde junge Frau gab die Kommandos, ein junger Mann folgte ihren Anweisungen, während sie mich noch einmal umbetteten, an ein Dauer-EKG anschlossen und auf einer rollbaren Liege auf den Hof schoben, wo schon ein Notarztwagen auf mich wartete. Mit Blaulicht und Sirene rasten wir ein paar Kilometer durch Fort Lauderdale ins Broward General Medical Center .

    Dass etwas Ungewöhnliches passiert war, erfuhren meine Töchter nur wenige Stunden später. Sie hatten, wie jeden Tag nach meiner Verurteilung, morgens als Erstes meinen Namen in die Suchmaschine des Bureau of Prisons eingegeben. Jeden Tag war mit meiner Verlegung zu rechnen, und dann wusste man wieder einmal nicht, wohin die Reise ging. An diesem Vormittag aber erschien, nach Eingabe des Namens Reinhard Berkau, unter inmate search die rätselhafte Auskunft: not in custody . Nicht mehr in Haft. Was hatte das zu bedeuten? Natürlich riefen sie sofort Jeanne Baker an, aber sie wusste von nichts.
    Meine Töchter, die gerade erst den Schock meiner Verurteilung hatten verkraften müssen, waren höchst alarmiert. Über Kontaktpersonen von Andreas B., der ja auch im Broward County Jail saß, erfuhren sie schließlich, dass ich ins Krankenhaus abtransportiert worden war. Sie telefonierten sämtliche Kliniken der Umgebung ab, aber sie hatten keine Chance, mich zu finden: Gefangene werden grundsätzlich unter Pseudonym ins Krankenhaus eingecheckt, um Befreiungsversuche zu vereiteln. Für ihre unmittelbaren Angehörigen sind sie damit praktisch wie vom Erdboden verschwunden.
    Sollte eins meiner Kinder schon wieder in das nächste Flugzeug nach Miami steigen, um herauszufinden, was mit mir los war, ob ich ihre Hilfe oder ihre Nähe brauchte? Vorher versuchten sie es noch mit einer zweiten Telefonrunde bei den Krankenhäusern, und diesmal traten sie etwas energischer auf. Schließlich fragte eine entnervte Rezeptionistin nach meinen Geburtsdaten, gab diese in den Computer ein – und zögerte mit ihrer Antwort dann doch einen Augenblick zu lange. «Darüber darf ich Ihnen keine Information geben», erklärte sie streng. Die Botschaft war angekommen: Meine Töchter baten Jeanne Baker, sofort in der Klinik nachzufragen, was mit mir los war.
    Mir ging es, den Umständen entsprechend, inzwischen schon wieder ganz gut. Mein Zustand hatte sich, das hatte ich selbst registriert, rasch wieder stabilisiert. Ich war mit Hilfe diverser Apparate gründlich untersucht worden. Auf einer komfortablen Liege, allerdings mit der linken Hand und dem linken Fuß angekettet, konnte ich die Aufzeichnungen meiner Werte auf einem

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