Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
zusätzlichen Stress wie möglich zu produzieren.
Und Sie als seine Anwältin – waren Sie gleich von seiner Unschuld überzeugt?
Ich bin Strafverteidigerin. Mir geht es nicht darum, ob jemand schuldig ist oder nicht, sondern an welchen Punkten ich ansetzen kann, um ihn in seiner Situation bestmöglich zu unterstützen. Manche Mandanten bedrängen mich da geradezu, sie wollen unbedingt, dass ich an ihre Unschuld glaube – aber ich versuche, ihnen zu erklären, dass meine persönliche Überzeugung für das Verfahren völlig irrelevant ist.
Reinhard Berkau hat so etwas nie von mir erwartet. Aber ich hatte von Anfang an großes Vertrauen zu ihm und habe gleich erkannt, dass er ein aufrichtiger Mensch und Kollege war. Für mich war wichtig, dass er feste Prinzipien und Werte hatte – unabhängig davon, ob er im Sinne der Anklage schuldig war oder nicht. Um das herauszufinden, mussten wir die Transskripte dieser Aufzeichnungen auswerten: Konnte ein objektiver Zuhörer «ohne vernünftige Zweifel» einen Beleg für eine Erpressung darin finden, wie es von Beweismaterial im amerikanischen Strafverfahren gefordert wird? Das hatte den Charakter einer technischen Frage, die wir miteinander zu klären hatten.
Gab es für die Verteidigung auch problematische Aspekte?
Das eine Problem ist, dass wir in den USA diese conspiracy -Gesetze haben. Und das bedeutet, dass Sie für etwas verantwortlich gemacht werden können, was jemand anderes getan oder gesagt hat. Diese Gesetze sind furchtbar – das denkt jeder gut ausgebildete Strafverteidiger im ganzen Land. Sie ermöglichen es, viele Leute zu verhaften und ihre Verurteilung zu erwirken, auch wenn sie selbst keine strafbare Handlung begangen haben.
Hinzu kam noch etwas anderes: Es gibt hier in den USA bestimmte Spielregeln, die man kennen muss, wenn man geschäftliche Verhandlungen führt. Es gilt zum Beispiel als unethisch, jemandem mit der Polizei oder mit Kriminalisierung zu drohen, um mit ihm zu einer Einigung zu kommen. Aber Reinhard Berkau ist als Anwalt nicht in den USA ausgebildet worden und kannte diese Gepflogenheiten nicht.
Das größte Problem hatten wir aber mit der Zeugenaussage von diesem schrecklichen deutschen Anwalt. Seine Aussagen waren extrem schädlich. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn zu dem Eingeständnis zu bringen, dass er im Zeugenstand nicht die Wahrheit sagte. Ich hätte seine Aussage Punkt für Punkt durch eigene Zeugen widerlegen müssen. Aber es stellte sich heraus, dass es schwierig war, diese zur Gerichtsverhandlung in die USA zu holen. Und wir haben trotz dieser Aussagen des Anwaltes nie geglaubt, dass das Verfahren so negativ für uns ausgehen würde.
Ist dieses Urteil gegen Reinhard Berkau für Sie ein Skandal, ein Ausnahmefall, oder spiegelt es eher den Alltag, die Normalität im amerikanischen Justizsystem wider?
Diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten. Es kommt vor, es passiert wiederholt, und es passiert sogar den besten Anwälten im ganzen Land, dass jemand verurteilt wird, der komplett unschuldig ist. Da spielen viele Bedingungen eine Rolle. In unserem Falle zum Beispiel: Wenn dieser Carl F. keinen persönlichen Bekannten beim FBI gehabt hätte, hätte sich das FBI mit dieser Sache vermutlich überhaupt nicht befasst. Die hatten eigentlich Wichtigeres zu tun, als sich in einen Konflikt unter Geschäftsleuten einzumischen. Aus meiner Sicht war das ein klarer Missbrauch der Ressourcen des FBI. Wir schrieben immerhin das Jahr 2006, die ganze Nation war noch in dieser Hysterie nach dem 11. September 2001. Und unter dem Gesichtspunkt des sinnvollen Einsatzes von Ressourcen sollte sich das FBI darauf konzentrieren, unser Land vor terroristischen Angriffen zu schützen, statt in geschäftliche Konflikte einzugreifen.
Und wenn so ein Fall erst mal vom FBI und vom Staatsanwalt aufgriffen ist, dann entsteht ein Erfolgsdruck, auch zu einer Verurteilung zu kommen?
Eigentlich sollte das nicht der Fall sein. Es gibt eine sehr wichtige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, die sagt: Ein Staatsanwalt muss Gerechtigkeit anstreben und nicht Sieg. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Ich habe zum Beispiel einen Fall vertreten, in dem der Staatsanwalt über vier Jahre hinweg wirklich keinen schmutzigen Trick ausgelassen hat, um eine Verurteilung meines Mandanten zu erreichen. Auch wenn er selbst wusste, dass manche Zeugen einfach gelogen haben. Dem Staatsanwalt in Reinhard Berkaus Fall, Chris Clark, ging es
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