Ich, Gina Wild
Axel mich nach Hause gebracht. Zu Fuß. Von Eschweiler, Stadtmitte zur Waldsiedlung. Das sind gute sieben Kilometer. Und mittendrin hat es zu schütten angefangen. Wir hatten keinen Schirm und waren sofort klatschnass. Aber das hat uns nichts ausgemacht. Es war so romantisch. Jede kleinste Fingerberührung war so intensiv, dass es mich jedes Mal wie ein Blitz durchfuhr.
Dann standen wir vor meiner Haustür, und ich wollte ihn nicht gehen lassen, ohne ihn vorher geküsst zu haben. Es sah so aus, als müsste ich den ersten Schritt machen.
Ich weiß noch, Axel hatte noch meinen Labello. Den hatte ich ihm gegeben, weil er raue Lippen hatte.
Axel kramte in seiner Tasche.
Und in dem Moment, wo er damit beschäftigt war, den Stift herauszuziehen, habe ich die Gelegenheit genutzt und ihn geküsst. Das hat dann eine halbe Stunde gedauert. Ich war hin- und hergerissen zwischen Axel und Matthias. Gewissensbisse plagten mich. Und ich fasste einen Entschluss, der mich aus meiner Zerrissenheit befreien sollte. Gleich am nächsten Tag rief ich Axel an und lud ihn ein, mich von der Arbeit abzuholen.
Wir haben uns vor dem Krankenhaus getroffen und spazierten zu einem Kinderspielplatz. Ich sagte ihm, ich sei verwirrt. Ich schilderte ihm meine Beziehung zu Matthias und dass ich zweieinhalb Jahre meines Lebens nicht einfach wegwerfen wollte. Aber es ging nicht weiter mit uns, eröffnete ich ihm und wünschte mir, dass er mich trotz allem als Freundin betrachten würde.
»Ich will, dass du mich in Zukunft Michi nennst. Wie alle meine Freunde.«
Axel lehnte ab. Es muss furchtbar für ihn gewesen sein.
»Ich sage Michaela.«
Am kommenden Freitag war ich natürlich wieder im Glory‘s. Diesmal gemeinsam mit Matthias. Axel sah ich nicht. Erst viel später erzählte er mir, dass er sich den Schmerz unseres Anblicks eigentlich nicht antun wollte. Dann ist er aber doch gekommen, nur um mich von weitem zu sehen. Danach ist er aber gleich wieder fortgegangen.
In diesen Tagen war Axel sehr niedergeschlagen. Seine Clique, unter anderen auch mein Bruder Guido, versuchten ihn aufzumuntern. Sie veranstalteten wilde Trinkgelage. Aber Axels Herz war gebrochen.
An einem Abend war ich ausgehfreudig. Matthias allerdings nicht. Wir waren uns wieder mal uneinig. Wir gingen raus, um die Ecke zum Griechen. Dort saßen wir rum und diskutierten, was wir nun machen wollten. Die Situation eskalierte, wir hatten Streit. Matthias platzte der Kragen, er zog ab. Ich ging raus, wollte alleine zurück ins Glory‘s. Und da stand Axel Schaffrath mit erschrockenen Augen vor mir. Er hatte sich gerade auf den Heimweg gemacht, nachdem er noch eine Weile mit seiner Clique herumgestanden hatte.
»Axel, willst du schon nach Hause?«
»Äh, ja. Das hatte ich eigentlich geplant«, war die unsichere Antwort.
»Schade, für mich fängt der Abend nämlich jetzt erst an.« Axels Züge entspannten sich. Wir schlenderten zurück ins
Glory‘s. An diesem Abend hat er mich noch einmal nach Hause begleitet. Dieses Mal haben wir uns nicht vor der Tür verabschiedet.
Über vier Wochen waren vergangen, seit unserer ersten Begegnung im Glory‘s, als ich zum ersten Mal mit Axel schlief. Es war in einer Gartenhütte, die bei Axels Eltern hinter dem Haus stand. Dort gab es eine ausziehbare Couch. Es war wie in einem kleinen Wohnzimmer.
Axels Brüder waren alle drei in dem gewissen Alter und es gab regelmäßig ein Gerangel um die kleine Hütte. Wenn die einmal besetzt war, dann war sie die ganze Nacht über besetzt. In dieser Nacht hatten wir Glück.
Axel kniete vor mir auf der Couch und machte mir mit zitternden Fingern den BH auf. Aber auch ich habe gezittert. Wir blieben bis frühmorgens um fünf beisammen, dann musste ich los ins Schwesternwohnheim, weil ich Frühdienst hatte.
Ich wohnte noch zu Hause aber wegen der unbequemen Schichtzeiten war es günstig, im Heim ein Zimmer zu haben, sonst wäre das in eine lästige Hin- und Herfahrerei zu den unmöglichsten Zeiten ausgeartet.
Axel hat mich an diesem Morgen zur Bushaltestelle gebracht. Wir standen eng umschlungen knutschend da rum.
Auf einmal hielt ein Bus. Und wer sitzt drin und kann nicht fassen, was er da sieht? Klaus. Ich sehe sein Gesicht heute noch vor mir. Der Bus fuhr los und er glotzt völlig entgeistert zu uns raus. Der konnte es gar nicht glauben, dass der schüchterne Schaffrath es nun doch geschafft hat, die Kleine rumzukriegen. Dieses Gesicht werde ich nie vergessen.
Ich ließ mich also auf Axel ein.
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