Ich, Gina Wild
Gleichzeitig ging meine Beziehung zu Matthias in die Brüche. Ich habe beide Männer etwa vier Wochen parallel laufen lassen. Matthias wusste nichts von Axel, aber Axel wusste von Matthias. Ich hätte nie gedacht, dass ich so abgebrüht bin. Ich habe viel gelogen.
Und ich habe Axel wohl auch als willkommenes Mittel zum Zweck benutzt, um von Matthias wegzukommen.
Außerdem, und das muss ich zu meiner Entlastung berichten, fand ich heraus, dass Matthias mit einer anderen etwas hatte. Ich habe gehört, wie Matthias mit jemandem sehr liebevoll telefonierte und am Ende mit leiser Stimme sagte: »Ich dich auch...«
Das bedurfte keiner weiteren Erklärungen mehr. Ich habe ihn zur Rede gestellt, und er gestand, dass es ein Mädel gäbe, dass sich in ihn verliebt hätte und dass er im Zwiespalt gewesen sei, wen er eigentlich wolle. Aber er hätte sich für mich entschieden, sagte er.
Doch es war trotzdem vorbei.
Unter einem Vorwand lud ich Matthias zu mir nach Hause ein. Wir gingen in mein Zimmer, wo wir so viel gemeinsame Zeit verbracht hatten. Ich eröffnete ihm die Wahrheit. »Ich habe mich in einen anderen verliebt.«
Es traf ihn mitten ins Herz. Wir saßen am Bettrand. Ich wohnte noch immer in meinem Kinderzimmer unterm Dach. Die Holzverschalung drückte die Stimmung endgültig auf den Tiefpunkt. Mein Bett stand vor einer großflächigen Fototapete. Ein Karibikmotiv mit Palmen, Strand und silbernen Wellen. An den anderen Wänden hingen Poster von Michael Jackson, Nena, Abba. Ein Plattenspieler stand herum, Plattencover lagen auf dem Boden. Ich glaube meine Bettwäsche hatte ein kleines Muster. Statt der Karibiksonne brannte eine schlichte Lampe über uns. Eine Glaskugel.
Während unserer Beziehung hatte Matthias immer ein Silberkettchen getragen, mit meinem Sternzeichen als Anhänger. Ich bin Schütze. Die Kette hat er sich runtergerissen und auf mein Bett geworfen. Dann ist er heulend rausgerannt.
Ich hatte ihn sehr verletzt.
Meine Eltern waren da und haben sich sehr gewundert. Ich bin erst mal in Tränen ausgebrochen. Nicht aus Trauer, sondern vor Erleichterung. Die Heuchelei hatte ein Ende genommen. Ich habe unter meinem Betrug sehr gelitten.
Mein Vater warnte mich: »Lass dir bloß Zeit, bis du mit dem nächsten Mann kommst.«
Das hatte ich nicht hören wollen. »Papa, ich habe doch wegen eines anderen Mannes Schluss gemacht«, schluchzte ich.
Danach hat mich Matthias terrorisiert, hat mir vor dem Krankenhaus aufgelauert. Aber die Kolleginnen konnten mich meistens vorwarnen, und ich bin dann zum Hintereingang raus. Er hat mich angerufen, er hat Axel eingeschüchtert, ihn sogar mit Mord bedroht. Drei Monate lang ging das so. Es war ein Horrortrip. Er hat sogar einmal seine Mutter vorgeschickt, um mich zu bewegen, dass ich es mir anders überlege. Aber ich wollte nicht mehr, ich hatte mich bereits für Axel entschieden.
Beim ersten Mal, als Axel bei uns zu Besuch war, ging es meinem Vater schlecht. Ihm war übel. Meinen Exfreund Matthias konnte er nicht leiden. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für diesen Termin. Mein Vater dachte, jetzt kommt wieder so ein Laberkopf daher.
Es ging aber gut.
Es war mein erstes Ausbildungsjahr. Ich wohnte zu Hause und hatte ein Zimmer im Schwesternwohnheim. Im Grunde hat sich an den Rahmenbedingungen unseres gemeinsamen Lebens neun Jahre lang wenig geändert. Ich machte meine Schichten und Axel seine Jobs. In der Anfangszeit haben wir uns nur einmal in der Woche getroffen. Wir hatten selten an denselben Tagen frei. Axel machte eine Ausbildung als Restaurantfachmann im Aachener Elisenbrunnen, einem feinen Restaurant.
Erst 1992 sind wir zusammengezogen. Unser erstes gemeinsames Heim war eine 60 Quadratmeter große Dachgeschosswohnung in Eschweiler. Unheimlich süß.
Heute wäre mir das zu eng, aber es waren unsere ersten eigenen vier Wände. Die erste Nacht in dieser Wohnung wollten wir gar nicht ins Bett gehen. Wir saßen die ganze Nacht auf dem Sofa, im Fernsehen lief ein Konzert von Genesis. Es war großartig.
Und wir waren uns unserer Liebe immer sicherer geworden. Die einzige Krise unserer Beziehung hat uns schon nach einem halben Jahr erwischt. Axel hatte mit einem anderen Mädchen ein Verhältnis. Es hat ihn total gereizt, und ins Gesicht sagte er mir: »Die hat einen tollen Hintern.«
Ich kannte sie. Ein hübsches Mädchen. Sie hatte ein sehr süßes Lächeln, und ich wog nach wie vor meine 60 Kilo.
Axel bat um eine Auszeit. Nach zwei Wochen Bedenkzeit
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