Ich, Gina Wild
gespielt. Meine Eltern leben in solidem Wohlstand und zur Geselligkeit gehörte auch das gute Essen. Davon gab es reichlich. Es gab selbstgemachte Pommes, die machte meine Mama ganz toll. Currywurst, Hähnchen, wir haben oft gegrillt. Eines meiner Leibgerichte: Nudeln mit Eiersoße.
Meine Omi kam aus dem Saarland, die kannte herrliche Rezepte. Gefüllte Klöße, Leberknödel, Mehlknepp. Süßigkeiten und Eis verschlang ich sowieso. Sonntags war es am tollsten, da wurde das gemeinsame Mittagessen regelrecht zelebriert. Suppe, Hauptgang, süßes Dessert. Das ist heute noch so. Meine drei Lieblingssuppen: Nudelsuppe, Hühnersuppe, Tomatensuppe. Und ich war ein Fan von Mamas Hühnerfrikassee. Oft gab es zum Dessert die Königsrolle von Fürst Pückler mit Eierlikör.
Ich habe lustvoll gegessen, oft auch aus Frust. Dass es einen direkten Zusammenhang zwischen diesem üppigen Angebot gab und meiner Dicklichkeit, war mir bewusst. Doch es fehlte wohl die Tatkraft, meine Unzufriedenheit an der Wurzel zu packen. Ich denke aber auch, ein Kind ist mit dieser Verantwortung für den eigenen Körper noch überfordert. Die Erziehung musste da einwirken.
Dass ich nicht so toll aussah, wurde mir in seiner ganzen Brutalität im Alter von etwa zwölf Jahren bewusst. Es war die Zeit, als ich anfing, mich für die Schuldisko hübsch zu machen und man sich noch auf sehr verspielte Weise mit Jungs traf.
Als Frisur hatte ich anfangs einen simplen Pottschnitt, meine Klamotten waren ordentlich. Das sagt schon einiges. Klar, dass ich irgendwann damit unglücklich war.
Als ich im 5. Schuljahr meine beste Freundin Michi kennen lernte, hatte ich angefangen auf schicke Klamotten Wert zu legen. Wir beide waren äußerlich sehr gegensätzlich. Sie war up to date, wusste immer, welche Jeans und welches Oberteil angesagt waren. Es lag wohl daran, dass sie eine ältere Schwester hatte, die ihr das vormachte. Von der haben wir öfter was ausgeborgt, ohne dass sie etwas merkte.
Michi ist nicht so aufgewachsen wie ich. Sie konnte nachts um 11 noch unterwegs sein. Ihre ganze Familie war einfach anders. Nicht das, was ich als glückliche Familie bezeichnet hätte. Die gingen alle ihre eigenen Wege.
Auch materiell waren wir besser gestellt. Mein Bruder und ich hatten jeweils ein eigenes Zimmer, wir fuhren regelmäßig in den Urlaub, und ich konnte mir von meinem Taschengeld jederzeit Platten und Bücher kaufen. Es war mir klar, dass ich aus geordneten Verhältnissen kam und ein Privileg genoss, das nicht jeder hatte.
Michi und ich waren grundverschieden. Sie sah sehr süß aus und kam bei den Jungs gut an. Sie hatte dunkelbraune, große Augen, brünette glatte Haare und eine Stupsnase. Michi war gertenschlank. Und sie hat sich oft umgestylt. Ich bewunderte sie für ihre Schönheit und schätzte sie als meine Beraterin.
Ich war mit allem an mir unzufrieden. Auch mit meinen Haaren, die die Farbe eines Straßenköters hatten. Ich bekam meinen ersten, ernst gemeinten Haarschnitt, er war so einer Art Pony.
Eines Abends stand wieder mal Schuldisko auf dem Programm. Ich war fest entschlossen, diesmal besser gestylt dort aufzutauchen. Michi bot sich an, mir die Haare zu schneiden. Das Desaster war unvermeidbar. Meine Haare hingen mir wie ein schiefer Topf am Kopf.
»Michi, ich sehe Scheiße aus«, jammerte ich. »So gehe ich nicht auf die Straße.«
Michi hatte dann die grandiose Idee, mir einen Cowboyhut aufzusetzen. Den riss mir nachher in der Disko irgendein blöder Typ vom Kopf, und ich habe mich furchtbar geschämt.
Es war ein Jammer. Neben Michi kam ich mir vor wie ein dummes kleines Anhängsel. Aber niemals kam mir in den Sinn, sie dafür zu hassen. Wir waren zusammen immer lustig, riskierten eine große Klappe und haben sehr viel gelacht.
Michi bekam immer die Typen ab, die ich süß fand. Aber auch das nahm ich ihr nicht übel. Es war wie ein Naturgesetz. Die Jungs landeten eben bei ihr und nicht bei mir. Vielleicht lag es auch daran, dass sie ein größeres Selbstbewusstsein hatte. Michi war offen für Kontakte.
Nur einmal, ein einziges Mal, gab es eine Situation, die mich rasend vor Eifersucht machte. Sie hatte wieder mal einen Typen abbekommen, der mir auch gefiel. Aus irgendeinem Grund waren diesmal aber mehr Gefühle im Spiel. Er hieß Renee. Ich war 14, und er war der Schwarm aller Mädchen. Er hatte blonde kurze Haare, ein hübsches Gesicht und blaue Augen. Er gefiel mir richtig gut, weil er auch immer lachte. Und er hat mir nie das
Weitere Kostenlose Bücher