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Ich glaub, ich lieb euch alle

Titel: Ich glaub, ich lieb euch alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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wirklich keine Zeit, geschweige denn, dass ich die nötige Aufmerksamkeit aufbringen könnte! Zum Glück hab ich ein System entwickelt, wie ich am besten Interesse heuchle. Ich sehe dem Lehrer ganz einfach direkt in die Augen und nicke hin und wieder mit dem Kopf. Manchmal werfe ich ein » Ha« ein, wenn die Stimme des Lehrers eine höhere Tonlage erreicht. Wenn man nämlich zum Fenster rausschaut und an was anderes denkt, dann wird man garantiert erwischt, aber wenn man an was anderes denkt, während man dem Lehrer direkt ins Gesicht schaut, dann hegt keiner Verdacht. Ab und an mach ich mir sogar Notizen. Klar haben diese Notizen nie etwas zu tun mit dem, was der Lehrer gerade daherfaselt; in den meisten Fällen handelt es sich um irgendeine witzige Geschichte, die ich EJ oder Abby hinterher erzählen will.
    Im Augenblick beobachte ich Miss Hollys Mund, ohne eine Ahnung zu haben, was da rauskommt. Sie könnte von mir aus auch Chinesisch sprechen, so wenig kommt bei mir an. Ihr Mund ist RIESIG! Vielleicht besteht ihre ganze Familie aus Riesen, und sie ist die kleinste von allen, doch ihr Mund ist so groß wie beim Rest ihrer Riesenfamilie. Ich möchte wetten, sie kann ein ganzes Sandwich auf einmal verschlingen. Sie ist echt schon krass, wenn sie von was ganz Normalem spricht. Aber wenn sie über Shakespeare reden darf, dann sieht ihr Gesicht wie eine Comicfigur aus, ihr Mund flattert, spuckt, kaut und quäkt: » Thee, thou, thoo, thist!«
    » Mister Carter«, ermahnt sie mich, » Sie scheinen ausgesprochen großes Interesse an den Werken Shakespeares zu zeigen. Was, denken Sie, will uns Romeo in dieser Szene sagen?«
    Verdammt, ich bin zu weit gegangen! Versteht ihr, ich bin inzwischen ein so guter Schauspieler, dass ich mühelos abwechselnd so tun kann, als würde ich aufpassen oder als würde mich ein Thema fesseln. Ich wette, Robert de Niro hat mit demselben Problem zu kämpfen.
    » Mister Carter?«, versucht Miss Holly es erneut.
    » Äh, nun, das, das ist schwer zu sagen. I-i-ich glaube, er spricht in Wirklichkeit von… Liebe?«, antworte ich unsicher. Ein reiner Schuss ins Dunkle.
    » Äußerst interessant«, meint Miss Holly. » Er hat den Kampf seines Lebens gegen Tybalt auszutragen, doch du bist der Ansicht, er spricht eigentlich von Liebe?«
    » Jep, Romeo geht es nur um Liebe«, behaupte ich steif und fest. Lass dir nicht den Wind aus den Segeln nehmen; sie meint, es wäre interessant, nicht falsch.
    » Fantastisch, Carter! Er erklärt damit seine Liebe zu Julia und dass diese Liebe auch die Liebe zu ihrem Anverwandten Tybalt mit einschließt. Bei dieser Rede geht es nur um die Liebe! Und zwar verschleiert durch physische Gewalt und Drohgebärden. Es zeugt von sehr gutem Einfühlungsvermögen, dass du dies durchschaut hast«, meint sie bewundernd.
    Nein, gute Frau, das war reines Glück! Versteht ihr jetzt, warum die doofen Kids denken, dass ich voll was drauf hab? So was passiert mir dauernd. Wahrscheinlich vermassle ich den Test am Dienstag, aber heute gelte ich noch als » fantastisch« und » einfühlsam«!
    Ich hab schon vier Stunden geschafft, aber langsam werden mir die Bücher zu schwer und ich brauch meinen Taschenrechner und den Ordner mit meinen Geschichtsunterlagen. Ich hab zwar überhaupt keine Lust, aber ich muss mich dennoch zurück an den Ort des Verbrechens begeben. Ist schon verrückt, doch ich befürchte, ich kann nie wieder zu meinem eigenen Schließfach gehen. Ich weiß zwar, dass Scary Terry im Gefängnis ist, aber was, wenn nicht, und er steht jetzt davor und wartet dort auf mich? Und was, wenn die anderen verhaltensgestörten Typen sauer auf mich sind, weil ich ihnen ihren Anführer genommen habe? Oder wenn dieser glatzköpfige Lehrer sauer auf mich ist, weil ich mich seinen unmissverständlichen Anweisungen widersetzt habe, und deshalb schickt er mir jetzt seinen Lieblingspsycho? Mir zittern die Knie, als ich um die Ecke biege. Ich befürchte fast, ich leide am Posttraumatischen Stresssyndrom. Man kann immer noch die Dellen am Schließfach sehen, dort wo Terry reingetreten hat. Wieder verspüre ich dieselbe beklemmende Angst. Vor meinem inneren Auge spielt sich erneut die Szene ab, wie Terry sich selbst verprügelt und wie EJ neben mir steht. Ich fühle erneut die Blicke der anderen Kids auf mir und erlebe denselben Adrenalinstoß, ähnlich einer Herzattacke. Beim Pausenklingeln stehe ich immer noch allein auf dem Flur und versuche, mich unter Kontrolle zu kriegen.
    Was ich

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