Ich glaub, ich lieb euch alle
brauche, ist ein kleiner Schubser, und den krieg ich auch. Als sich mir eine Hand sanft auf den Rücken legt, zucke ich zusammen. Es ist Abby. Sie wirft mir einen zuckersüßen Blick zu und meint: » Bist du okay?«
» Ja, klar, ich hol mir nur meine Bücher«, sage ich, so cool ich eben kann.
Ich schau Abby an und denk mir, wie schön sie heute aussieht und wie klasse es ist, dass sie gerade im richtigen Moment auftaucht. Ich schnapp mir ihre Hand und marschier mit ihr die letzten Schritte in Richtung Schließfach.
» Bist du dir sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist?«, erkundigt sie sich erneut.
» Ja, mir geht’s prächtig. Und selbst?«, frage ich wie ein Vollidiot.
» Klar, tut mir nur leid, dass ich mich nach dem Kino so total danebenbenommen hab«, gesteht sie mir.
» Wie bitte?«, frage ich überrascht. » Du hast dich doch nicht danebenbenommen. Ich mein, immerhin hast du diesmal nicht gekotzt, ich finde, das wird doch immer besser mit uns beiden!«
Sie lacht und küsst mich auf die Wange, einem Engel gleich, der sich von mir Brüste und Höschen hat befummeln lassen. Sie ist einfach großartig.
Sie dreht sich kurz um und erklärt: » Ich muss zur Sportstunde, bin zu spät dran, also…«
Deshalb wink ich ab und sage: » Ist okay, ich liebe dich.«
Was zum…? Oh NEIN, CARTER! Im Zuge der Posttraumatischen Verblödung ist mir das eben einfach so herausgerutscht! Mann, wie dumm von mir. Abby läuft knallrot an. Ich hab das ganz automatisch gesagt, wie ich es zu meiner Mom sage oder so. Wenn man sein Herz für sich sprechen lässt, dann schickt es die Signale offensichtlich nicht erst vorab ans Gehirn zum Gegenchecken. Ich hab noch nicht einmal die Chance bekommen, das Ganze stotternd zu sagen. » Ich liebe dich.« Da war es plötzlich, aufgetaucht aus dem Nichts. Wie ein böser Ninja, der sich von seinem Meister abgewandt hat. Und es gibt keinen Weg, ihn zurückzuholen!
Abby sieht mich mit großen Augen und weit offenem Mund an und starrt mir ins schockgezeichnete Gesicht. Wahrscheinlich mach ich jetzt dasselbe Gesicht wie sie, nachdem ich ihre Second Base eingenommen hatte.
» Carter, ich… ich liebe dich auch«, erwidert sie und gibt mir einen Kuss auf die Lippen. VERDAMMTE SCHEISSE! Wie zum Teufel konnte es nur so weit kommen? Dieser Ort befindet sich noch nicht einmal auf meiner imaginären Landkarte. Nur zwei Dates, und schon hat sie mich in den Klauen! Muss ich jetzt ihre Eltern kennenlernen und den ganzen Quatsch? Wahrscheinlich muss ich in Zukunft samstags mit ihr zum Shoppen gehen. Ich war immer der Meinung, ein Aufmerksamkeitsdefizit ist ein krasses Syndrom, aber dieses Posttraumatische Stresssyndrom ist ohne Zweifel die Großmutter aller Syndrome! Mein Gehirn war nur kurz außer Gefecht und schon gestehe ich jemandem meine Liebe.
Was wenn meine Jungs das rauskriegen? Romeo ist kein guter Spitzname. Und wenn die Sache rauskommt, dann führt kein Weg daran vorbei.
Trotzdem war der Kuss eben wahrscheinlich der beste, den ich je erlebt hab. Und wahrscheinlich geht’s auch gar nicht mehr besser. (Wenn ich gewusst hätte, dass es zugleich unser letzter sein würde, dann hätte ich ihn noch ein wenig in die Länge zu ziehen versucht. Ich hätte ihr wahrscheinlich die Zunge reingeschoben oder etwas in der Art. Und nun wird sie mir nur durch einen flüchtigen Kuss in Erinnerung bleiben.)
Als sie sich umdreht, erkenne ich eine dunkle Gestalt, die uns vom Treppenhaus aus beobachtet. Ich hab die leise Befürchtung, dass es ein Lehrer sein könnte, der uns bei einer Erregung öffentlichen Ärgernisses ertappt hat. Oder es ist Lynn, die mir dabei zusieht, wie ich eine der unumstößlichen Regeln breche, nämlich Knutschen vor aller Augen. Sie hat zwar nichts in die Richtung gesagt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es absolut verboten ist, schon nach dem zweiten Date » Ich liebe dich« zu sagen!
Wie sich herausstellt, wird mich die dunkle Gestalt in einen weitaus schlimmeren Schlamassel bringen, als das irgendein Lehrer jemals könnte. Tatsächlich hätte ich mir niemand Besseres vorstellen können. Amber Lee lauert gerade darauf, dass zufällig eine ihrer sogenannten » besten Freundinnen« vorbeikommt, als sie plötzlich auf mich zugeschlendert kommt.
» Sieh mal an, ist das nicht süß. Ihr zwei knutscht auf dem Flur«, sagt sie.
» Ja, d-da-das sollten wir vielleicht b-b-besser nicht tun«, bringe ich stotternd hervor.
» Nein, ihr zwei seid wirklich niedlich. Läuft da was
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