Ich glaub, ich lieb euch alle
Motorgeräusche näher kommen hören.
» Oh Mann, die BULLEN!«, flüstert EJ.
Aber man sieht keine roten und blauen Lichter blinken, obwohl der Motor echt gefährlich klingt. Da kommt Nick Brocks alter Truck über den Hügel gefahren, wobei er ein paar kleinere Bäume ummäht. Der Truck hat große Reifen und hinten auf der Ladefläche stehen vier Typen. Die Stereoanlage dröhnt und auf dem Beifahrersitz sitzt meine lachende Schwester. Sieht ziemlich cool aus, wie die Karre durch den Graben und die Straße hochjagt. Dann allerdings überquert der Truck die Spur und landet im Graben auf der anderen Seite. Das war nicht ganz so cool. Ein Truck kann noch so geil sein, er macht eben doch nicht alles mit, was sein stockbesoffener Fahrer so verlangt. Nick drischt mit beiden Fäusten auf das Lenkrad ein, als EJ und ich angerannt kommen.
» Bist du okay?«, erkundige ich mich.
» Klar, Baby, alles in Ordnung«, lallt Nick. Dann scheint er über irgendwas nachzudenken. » Hey, Carter? Hast du deinen provisorischen Führerschein bei dir?«, fragt er.
» Scheiße, klar hab ich den dabei«, schwindle ich.
» Dann fährst du die Karre besser für mich nach Hauseeee…«, sagt er noch, dann schläft er über dem Lenkrad ein.
» Warte mal, was? Du willst, dass ich deinen Truck fahre, Brock?«, frage ich.
» Zur Hölle, nein. Auf keinen Fall, CARTER!«, brüllt Lynn, öffnet die Beifahrertür und stürzt aus dem Wagen in den Graben. Sie ist bewusstlos. Es muss schon spät sein, denn diese Party-People hier gehören eindeutig ins Bett. Ich allerdings fühle mich so richtig gut, ganz gleich wie spät es ist. Mountain Dew ist echt die Härte. Wenn ich nicht diese Bauchschmerzen hätte und meine Hände so zittern würden, dann würde ich mir das Zeug in der Schule reinkippen, für meine Konzentration. Die besoffenen Typen laden meine Schwester zu sich nach hinten auf den Wagen und EJ und ich schieben Brock rüber auf den Beifahrersitz. Der Truck ist echt megastark! Ich habe noch nie einen richtigen Wagen gefahren, aber ein Golfcart ist ja im Grunde fast das Gleiche. Hoffe ich zumindest. Ich lege den Sicherheitsgurt an und drehe den Zündschlüssel– BRUMMM!
» So klingt ein Auto, wenn es läuft«, sage ich zu EJ. Auf dem Rücksitz jubeln sie alle. » Seid still«, brülle ich sie an, wie eine Übermutti.
» Du hast’s echt drauf, Alter.« EJ grinst mich ermutigend an.
Ich muss uns aus diesem Graben rausholen, daher lege ich den Rückwärtsgang ein und trete aufs Gaspedal. Der Motor brüllt, aber sonst passiert nichts. Ich trete noch fester aufs Pedal. Wir hoppeln ein Stück nach hinten, doch das reicht nicht, den guten alten Truck aus dem Graben zu kriegen. Ich trete das Pedal bis zum Anschlag durch, sodass der Motor aufheult, und endlich ruckelt der Wagen rückwärts. Gott sei Dank, wir bewegen uns! Wir sind raus aus dem Graben und fliegen nun regelrecht nach hinten.
» Ich wusste gar nicht, dass Autos so schnell rückwärtsfahren können!«, versuche ich, den Motorenlärm zu übertönen.
EJ trägt nichts Konstruktives dazu bei. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, auf den Sitz einzuschlagen und » STOP!« zu brüllen.
Okay, ich brauch doch nur meinen Fuß von diesem niedlichen kleinen Pedal zu nehmen und das andere durchzudrücken. KRRRTTTSCH!!! Die Reifen quietschen, der Truck kommt schlingernd zum Stehen.
Ich lege wieder einen Gang ein, noch bevor jemand etwas sagen kann, und drücke erneut auf das kleine Pedal. Wir düsen los und EJ kichert wie ein Mädchen. Die Typen auf dem Rücksitz kreischen. Ich bin mir nicht sicher, was sie sagen, denn bei sechzig Sachen wird es schon ein wenig laut. Es ist schwer, den Truck in der Geraden zu halten, und bei siebzig Sachen ist es gleich noch schwieriger zu erkennen, was da auf einen zukommt. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, sehe ich die Dinge schon aus der Entfernung und hab dann Zeit, darüber nachzudenken, ehe ich sie erreiche, aber wenn man mit achtzig Sachen dahinfährt, ist man schon längst an allem vorbeigefahren, ehe man überhaupt erkannt hat, was es ist. Wie das Mädel gerade eben, sah aus wie Abby, aber wer kann das bei neunzig Sachen schon so genau sagen? Sie hatte auf jeden Fall einen niedlichen Hintern; so etwas erkenne ich bei jeder Geschwindigkeit. Ich glaube aber wirklich, dass das Abby war. Deshalb nehme ich den Fuß von dem schmalen Pedal und trete auf das breitere, und zwar fest.
KRRTTTSCH!!! Die Reifen quietschen und der Truck wird nach rechts
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