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Ich glaub, ich lieb euch alle

Titel: Ich glaub, ich lieb euch alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gemeinsam ein. In der Zeit, die ich noch für meine Extrabahnen brauche, rasiert Andre sich bereits die komplette Kopfbehaarung, und mit seinen Beinen ist er auch schon fast fertig. Ich schätze, da ist jemand absolut überzeugt davon, dass ich ihn bei der Junioren-Meisterschaft auf gar keinen Fall schlagen werde.
    Das wird doch ganz schön peinlich werden, wenn die Leute dann fragen: » Warum hast du dir die Haare abrasiert, Andre?«
    Und dann muss er antworten: » Oh, eigentlich sollte ich bei den Landesmeisterschaften schwimmen, aber nachdem Carter mich geschlagen hat, darf ich nicht mit!«
    Ich muss mich jetzt sputen. Ich will ihn einfach in allem schlagen, auch beim Beinerasieren. Also schmier ich mich schnell mit Rasierschaum ein. Ich schnapp mir einen Rasierer aus irgendeiner Tasche und noch einen klaube ich vom Boden auf. Andre benutzt nur einen Rasierer; ich werde zwei verwenden. Wieder und wieder schabe ich mit den Klingen über meine Beine. Vom Fuß bis zum Knie, vom Oberschenkel bis zur Speedo. Von oben bis unten. Ich hab mehr Körperbehaarung, als ich dachte. Das ist ganz schön anstrengend. Ich bin allerdings rasend schnell, langsam hole ich Andre ein. Inzwischen sind die Klingen verstopft, also spüle ich sie schnell aus und mach weiter. Nur eine Sekunde lang hab ich nicht aufgepasst, und jetzt bemerke ich, wie Blut in Strömen den Abfluss runterläuft. Mann, ist das eklig. Wie in einem Horrorfilm. Irgendjemand muss sich geschnitten haben– und zwar ziemlich schlimm. Das muss ja verdammt wehtun. Aber keiner schreit. Ich würde heulen wie ein Hund, wenn… Mann, ist es heiß hier drinnen. Irgendwie dampfig, alles ist verschwommen. Plötzlich fühle ich mich hundemüde. Das Rasieren raubt einem echt die letzte Energie. Vielleicht ist es mit meinen Beinhaaren so wie bei dem Typen aus der Bibel, bei dem die Kraft auch in seinen langen Haaren steckt, und als seine Braut sie ihm abschneidet, verliert er seine Kraft. Ich verlange in letzter Zeit einfach zu viel von mir selbst. Ich kann kaum mehr atmen. Ich kann es gar nicht erwarten, wenn ich wieder zum Spaß schwimmen gehen kann, statt mich jeden Tag im Pool fast zu Tode zu schuften. Ich würde so gern wieder an den Gray Goose Lake fahren und mich mit dem Seil ins Wasser schwiiiiiiiiingen. Das wäre soooooo schöööööön…
    » CARTER! Carter, steh auf, du Idiot!«, brüllt jemand aus weiter Ferne.
    » Mom, raus hier«, schreie ich, ganz benommen. » Ich bin doch wach!«
    Andre ohrfeigt mein Gesicht, deshalb versuche ich es mit einem kraftlosen Karate-Verteidigungsschlag.
    » Carter, du blutest, Alter!«, schreit einer der Seniors.
    » Woher kommt Bluten, weshalb?«, murmle ich und werde wieder bewusstlos.
    An recht viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich muss nicht ins Krankenhaus oder so, aber ich habe viel Blut verloren. Ich werd’s jetzt einfach sagen: Man sollte einem Vierzehnjährigen keine Rasierklinge in die Hand geben. Wenn sie mich ins Krankenhaus gebracht hätten, dann hätten die mich sicher für eines von diesen Selbstverstümmelungs-Kids gehalten. Wenn es um Andre geht, trifft das natürlich auf mich zu, aber ich hatte nicht geplant, mich selbst zu zerlegen wie einen gebratenen Truthahn.

Auf die Plätze …
    Mir die Jeans auszuziehen, ist jetzt, so kurz vor den Junioren-Meisterschaften, nicht nur schmerzhaft, sondern auch ganz schön eklig. Ich hab am ganzen Körper Ausschlag wie von giftigem Efeu, mein Bein ist voll tiefer blutiger Schnittwunden und übersät mit irokesenartigen Haarstoppeln. Ich brauch nur fünfzehn Minuten, um mir meine Speedo anzuziehen, als ich dann aber endlich die Schnüre binde, kommt bei mir doch plötzlich die Aufregung und ich konzentriere mich auf das Rennen. Ich schlinge mir ein Handtuch um die Hüften und ziehe los, um mit dem Aufwärmtraining zu beginnen.
    » AAAAAAAAAAUUUUUU!!!«, kreische ich, als meine blutigen Wunden mit dem gechlorten Wasser in Berührung kommen und zu brennen anfangen. Normalerweise wäre es ja gar kein Problem, bei einem Schwimmwettkampf zu kreischen, aber aus irgendeinem Grund sind heute doch ziemlich viele Leute da. Und vor allem nicht bloß Eltern. Sogar die Junioren-Cheerleader sollen kommen. Was irgendwie blöd ist. Ich hab ja nichts gegen sie, aber unsere Sportart findet unter Wasser statt; wir können da unten so gut wie nichts hören. Kein » Los«, » Kämpfen« oder » Sieg«! Ich nehme an, die Cheerleader fanden das auch ganz schön bescheuert, denn stattdessen kommt

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