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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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entgegen. Man hat, vielleicht nach langer Suche, eine bezahlbare Wohnung, ein Haus oder ein Grundstück gefunden, das einem gefällt. Man hat mit dem Verkäufer verhandelt und sich mündlich auf einen Preis geeinigt. Man hat im Geiste begonnen, Pläne zu schmieden, wie man die Wohnung einrichten, das Grundstück bebauen, das Haus sanieren wird, man malt sich bereits aus, wie es sein wird, dort zu leben. Aber erst wenn der Notartermin überstanden und der Kaufvertrag unterzeichnet ist, kann man sicher sein, dass man tatsächlich bekommt, was man so dringend haben möchte. Denn dass man einen Notartermin festgelegt hat, heißt noch lange nicht, dass er auch zustande kommt.
    Manchmal findet sich im letzten Augenblick ein Interessent, der mehr Geld bietet. Manchmal feiert Tante Berta zwei Tage vor dem Notartermin ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag, steckt ihrem Neffen Jürgen auf der Feier tau send Euro zu, provoziert damit den Zorn ihrer Nichte Karina, die seit Kindheitstagen unter dem Eindruck leidet, benachteiligt zu werden, Karina trinkt zu viel von dem Kümmerling, den Onkel Heinz mitgebracht hat, später verliert sie die Contenance und nennt Jürgens Frau Sabine eine »raffgierige Schlampe« – am Ende des Abends verwandelt sich eine unter anderem aus Jürgen und Karina bestehende Erbengemeinschaft, die übermorgen die gemeinsam geerbte Immobilie vergolden wollte, in einen Haufen Irrer, deren einziges Sinnen und Trachten darin besteht, sich auf keinen Fall gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um sich in irgendeiner Hinsicht auf irgendetwas zu einigen, weshalb der Notartermin bis auf Weiteres verschoben werden muss.
    Und selbst wenn der Notartermin tatsächlich wie geplant stattfindet, heißt das noch lange nicht, dass man ihn am Ende auch als Immobilienbesitzer verlässt.
    »Ich schaffe es nicht, ich schaffe es einfach nicht!«, brach es aus einer psychisch labilen Hauserbin hervor, als der Füllfederhalter in ihrer Hand bereits über der Unterschriftenlinie des Kaufvertrages schwebte – zitternd, wie die potenziellen Käufer, ein mit uns befreundetes Ehepaar, voll banger Ahnung registrierten.
    Die Hauserbin hatte eigentlich ihr Elternhaus veräußern wollen, bis sie, von Kindheitserinnerungen übermannt, den Füller fallen ließ, schluchzend aus dem Notariat stürzte und nie wieder gesehen wurde.
    Als unerfahrener Immobilienkäufer geht man also davon aus, ein wie geplant eingehaltener und verlaufender Notartermin sei ein Grund für Erleichterungswogen und überschwängliche Freude. Man stellt Champagner oder Sekt kalt, bevor man sich auf den Weg ins Notariat macht. Man wundert sich darüber, dass erfahrenere Mitmenschen einem Kommentare wie diesen mit auf den Weg geben: »Na, dann mal viel Spaß und gute Laune, hä hä!«
    Man wundert sich nicht mehr, wenn man seit einer gefühlten Ewigkeit beim Notar sitzt.
    Das Vorlesen und Erläutern des Vertrages dauert endlos. Nach knapp zwei Stunden beginnt mein Hirn zu ächzen. Ich wette, gleich wird es mir aus den Ohren quellen, sollte der Notar nicht bald aufhören, es zu stopfen – eine Mastgans kann nicht deutlich schlimmer leiden, als ich es gerade tue.
    Das an sich schon nicht schöne Juristendeutsch, mit dem der Notar seine Mitmenschen zu quälen pflegt, besteht in unserem konkreten Falle vorwiegend aus außergewöhnlich unschön klingenden Begriffen wie »Pflichtverletzungsansprüche«, »Schuldanerkenntnis«, »Haftungsausschluss«, »Zwangsvollstreckung«. Ich merke, wie leichte Übelkeit in mir aufsteigt, wahrscheinlich eine beginnende Magenschleim hautreizung. Ich gucke meinen Mann an. Mein Mann, normalerweise durch nichts zu erschüttern, sieht aus, als würde er gleich anfangen zu weinen. Ich habe keine Fragen mehr, außer einer: Wann ist das hier endlich zu Ende?
    Und nur eine einzige Sache habe ich definitiv verstanden: Gleich, wenn der Notar zu Ende vorgelesen hat, werde ich mit meiner Unterschrift den Kauf eines Hauses und die Verpfändung meines Seelenheils besiegeln. Scheißegal, ich unterschreibe alles. Hauptsache, raus hier.
    Wir unterschreiben.
    Nachdem wir den teuren Füller beiseitegelegt haben, schüttelt der Notar uns die Hände. Die Immobilienmaklerin strahlt, drückt Frau Müller und mir einen großen Blumenstrauß in die Hand, sie sagt »Herzlichen Glückwunsch!« und lächelt strahlend dazu. Kein Wunder, sie hat mit unserer Unterschrift gerade eine Summe verdient, die vermutlich einem Zehntel des Bruttoinlandsprodukts von Liberia

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