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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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dir.«
    »Eine kluge Entscheidung«, sagte ich. »Familiensoziologen haben vor ein paar Jahren herausgefunden, dass gemeinsames Wohneigentum das Scheidungsrisiko um vierundfünfzig Prozent senkt gegenüber Paaren, denen keine Immobilie gehört. Allerdings leben wir in einer Großstadt – was wiederum bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns scheiden lassen, um vierundvierzig Prozent höher ist als bei Ehepaaren, die in einer Kleinstadt oder auf dem Land leben.«
    »Dass wir in der Großstadt leben, bedeutet in erster Linie eines: Dass wir für ein heruntergekommenes Hun dert-Quadratmeter-Haus in mittlerer Wohnlage eine Summe hinlegen müssen, für die wir in einer ostdeutschen Kleinstadt nahe der polnischen Grenze ein topsaniertes Schloss mit Swimmingpool im Park bekommen würden«, sagte mein Mann.
    »Zu spät«, sagte ich, »morgen unterschreiben wir. Schlaf gut.«
    Wir brauchen vierundzwanzig Stunden, um uns einigermaßen von dem Notartermin zu erholen. Am nächsten Abend wird die Sektflasche doch noch geköpft. Wir stoßen an auf unseren allerneuesten Beziehungsstatus.
    »Prost!«, sagt mein Mann. »Wir sind jetzt eine GbR!«
    »Prost!«, sage ich. »Das klingt fast noch schlimmer als Ehepaar!«
    Eine GbR, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, besteht aus mindestens zwei Gesellschaftern, die sich nach § 705 BGB durch einen Gesellschaftsvertrag gegenseitig verpflichten, »die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten«. Wir haben gemeinsam den Vertrag unterschrieben. Wir haben das Haus gemeinsam gekauft. Wir zahlen das Haus gemeinsam ab, oder wir gehen gemeinsam unter. Das Haus gehört uns beiden, nämlich jedem eine Hälfte.
    Es ist: unser Haus.
    O.k., o.k., ihr Klugscheißer, legt ruhig die Finger in die Wunde. Ihr habt natürlich recht. Das Haus gehört uns noch gar nicht. Das Haus »gehört der Bank«, wie ihr anzumerken pflegt, wenn ihr einem den Spaß verderben wollt. Dass das Haus der Bank gehört, kann man im Grundbuch nachlesen: Dort wurde, wie uns der Notar mitgeteilt hat, mittlerweile nicht nur vermerkt, dass das Haus samt Grundstück einen neuen Eigentümer hat. Dort wurde auch die Grundschuld eingetragen, die erst dann getilgt wird, wenn wir dem Grundschuldnehmer – unserer Bank – kein Geld mehr schulden. Bis dahin gilt: Falls wir den Kredit eines Tages nicht mehr abbezahlen können, hat die Bank das Recht, das Haus zu veräußern, um an ihr Geld zu kommen.
    Ich sage trotzdem: Es ist unser Haus.
    Nachdem ich geheiratet hatte, musste ich mich daran gewöhnen, dass aus meinem Langzeitfreund »mein Mann« geworden war. Nachdem ich Mutter geworden war, lernte ich, stolz von »unserem Sohn« zu sprechen. Jetzt übe ich mich darin, über »unser Haus« zu reden. Ich muss nicht lange üben.
    Die Wahrheit ist: Über nichts werde ich in den nächsten sechsunddreißig Monaten mehr und lieber reden als über unser Haus.
    Die bittere Wahrheit ist: Ich werde quasi über nichts anderes mehr reden.

    Baunebenkosten inkl. MwSt.:
    Übertrag 18.291,00 €
    Grunderwerbssteuer 11.924,00 €
    Justizkasse Hamburg, Gebühr Grundbuchänderungen 1.850,00 €
    Zwischensumme 32.065,00 €

Teil 3

Die Möglichkeit einer Schmutzschleuse
    Mein Mann und ich sitzen auf der einen Seite unseres Esstisches. Sarah und Katja sitzen uns gegenüber auf der anderen Seite. Katja hält einen Stift in der Hand, vor ihr liegt ein aufgeschlagener Schreibblock. Sie ist wie Sarah Architektin, ihre Mitarbeiterin, und wird unser Projekt betreuen. Unser Projekt ist: unser neues Haus.
    »So, fangen wir an. Lasst solche Fragen wie Kosten und Machbarkeit erst mal links liegen, damit befassen wir uns später, spinnt einfach herum«, sagt Sarah.
    Sie nimmt einen Schluck Rotwein und schaut uns mit einem einladend-empathischen, geradezu therapeutischen Lächeln an. Mit dem gleichen Lächeln hat sie zuvor alle unsere Zimmer besichtigt, »um ein Gefühl dafür zu bekommen, was für Wohntypen« wir sind. Ich habe versucht, unsere Wohnung durch ihre Architektinnenaugen zu sehen, was ich gesehen habe, ist: Wir sind der »Möchtegern geschmackvoll, aber weil wir zwei Kinder und zwei Jobs und zu wenig Zeit haben, liegt überall viel zu viel Scheiß rum, um gut auszusehen«-Wohntyp.
    »Was wünscht ihr beiden euch?«, fragt Sarah. »Wie wollt ihr leben? Was braucht ihr, um glücklich zu sein? Was ist dir wichtig und was dir? Freunde? Familie?

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