Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
entspricht.
Es ist der 16. November. Die schwere Tür des Notariats fällt hinter uns ins Schloss, für heute bin ich der Hölle noch einmal knapp entronnen, auch wenn ich verdammt sicher bin, dass mich von nun an die schwefelige Aura aller Immobilienbesitzer umgeben wird – der Geruch nach Habgier, Größenwahn und Spießertum. Ich ahne nicht, dass ich die notarielle Höllenpforte im Auftrag unserer Bank noch einmal werde durchschreiten müssen, weil ich leider recht behalten werde: Es wird alles immer teurer, als man denkt.
Mein Mann und ich setzen uns ins Auto und fahren nach Hause, es ist dunkel, es regnet, zu Hause sitzen die Kinder wahrscheinlich seit vier Stunden vor dem Fernseher und gucken Unterschichtensendungen. Wir hatten gesagt, wir seien gegen sechs Uhr zurück, jetzt ist es fast halb acht.
Mein Mann fragt: »Bist du auch total deprimiert?«
Ich sage: »Ja.«
Dann sagt keiner mehr etwas. Zu Hause springen uns die Kinder entgegen: »Haben wir das Haus bekommen?«
»Ja, alles in Ordnung«, sagt mein Mann mit matter Stimme. Die Kinder jubeln. Mein Mann geht in die Küche, statt den Sekt aus dem Kühlschrank zu holen, öffnet er das Eisfach, wo eine Flasche Jubiläumsaquavit liegt: »Ich brauche jetzt was Starkes.«
Ich auch.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 33,00 €
Notargebühren 3.258,00 €
Maklercourtage 15.000,00 €
Zwischensumme 18.291,00 €
Beziehungsstatus GbR
Vor sehr, sehr langer Zeit einmal waren mein Mann und ich Anfang zwanzig und das, was man frisch verliebt nennt. Dann wurde aus uns ein Langzeitpaar. Wir führten für zwei Jahre eine Fernbeziehung, die Fernbeziehung beendeten wir zugunsten einer Wohngemeinschaft. Bald darauf begaben wir uns in den Stand der Ehe. Kaum waren wir verheiratet, begann die Phase der Elternschaft, der natürlicherweise die Zeit der postnatalen Ehekrise folgte.
Wie viele andere Paare verbrachten wir die ersten Jahre nach der Geburt unserer Kinder damit, einander vorzurechnen, wer das Gemeinschaftsprojekt »Familie« mit wie wenig Stunden Schlaf und wie vielen gewechselten Windeln subventionierte – die Phase der sogenannten Opferkonkurrenz: »Aber ich bin viel müder/gestresster/frustrierter als du!«
Falls man sich im Verlauf dieser Phase nicht trennt, sollte man sich, nachdem man jahrelang ebenso unermüdlich wie ergebnislos aneinander herumgenörgelt hat, irgendwann mit den Eigenheiten des anderen abfinden – ein äußerst Nerven schonender und darum erstrebenswerter Beziehungsstatus, der von manchen Paartherapeuten als »reife Resignation« bezeichnet wird. Man sieht ein, dass das Ziel, den Partner grundlegend zu verändern, ein unrealistisches ist, und sucht stattdessen mit ihm zusammen nach neuen, realistischen Lebenszielen. Ein eigenes Haus zum Beispiel.
»Ein eigenes Haus. Mein Gott. Wir tun es wirklich. Wir kaufen ein Haus«, hatte ausgerechnet mein Mann am Abend vor dem Notartermin plötzlich gesagt. Er lag im Bett, guckte an die Decke und klang aufmunterungsbedürftig.
Ich lief ins Arbeitszimmer, ich kramte ein Buch aus dem Bücherregal und rannte mit dem Buch in der Hand zurück ins Schlafzimmer. Im Register des Buches suchte ich das Stichwort »Haus – Bauen, Kauf« und schlug die richtige Seite auf.
»Wir kaufen nicht einfach ein Haus«, sagte ich. »Wir geben … warte, ich hab’s gleich, hier steht es: Wir geben, indem wir das Haus kaufen, ›unserer Liebe einen dauerhaften Ausdruck und Bestand‹.«
»Was ist das denn für ein Buch?«, fragte mein Mann. » Handbuch für Immobilienmakler. Wie schwatze ich Paaren jede Bruchbude auf ? Wie kommt so was in unseren Haushalt?«
»Das Buch heißt Was hält Paare zusammen? Der Prozess des Zusammenlebens in psycho-ökologischer Sicht «, sagte ich, »von Jürg Willi. Ein berühmter Schweizer Psychiater und Paartherapeut.«
Ich blätterte eine Seite um und las weiter: »›Die miteinander geschaffenen Werke und die gestaltete Außenwelt wirken auf die Partner zurück. Sie stabilisieren ihre Beziehung, erschweren deren Auflösung und binden die Partner an das Geschaffene, sodass sie auch innerlich immer schwerer in völlig andere Weltkonstruktionen hineinfinden.‹«
»Das kann man ja wohl auch einfacher ausdrücken«, sagte mein Mann. »Wenn ich nächstes Jahr komme und gestehe, dass ich mich unsterblich in eine Siebenundzwanzigjährige verliebt habe, dann brauchst du nur zu sagen: ›Und was ist mit dem Haus?‹, und schon überlege ich es mir anders und bleibe bei
Weitere Kostenlose Bücher