Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
über das Staffelgeschoss und den Anbau zu reden. Über den Rest des Hauses redete er so gut wie nie.
Und schließlich gab es Sarah, die bei der allerersten Besprechung in ihrem Büro gesagt hatte: »Ein neues Haus wäre natürlich sicherer zu kalkulieren. Bei einer Sanie-rung kannst du nie hundertprozentig vorhersagen, welche bösen Überraschungen auf dich warten. Und ein Neubau hat den Vorteil, dass er ganz genau auf eure Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten werden kann. Denkt mal drüber nach.«
Ich hatte sofort an die Schmutzschleuse gedacht. Mein Mann dachte an das Staffelgeschoss. Wir dachten zusammen darüber nach, was Sarah wohl alles einfallen würde, wenn man sie nicht nur ein Staffelgeschoss und einen Anbau, sondern ein ganzes neues Haus planen ließe – mit Schmutzschleuse.
»Ein Neubau wird auch nicht viel teurer«, hatte Sarah gesagt. Wir wollten es glauben.
»Neubau?«, fragte mein Mann.
»Neubau!«, sagte ich.
»Gut«, sagte Sarah und lächelte.
Sarah kann, das lernten wir im Laufe der Zeit, auf sehr viele verschiedene Arten lächeln. Aufmunternd, wenn sie einen zum Reden bringen will. Nachsichtig, wenn man ihrer Meinung nach völlig abwegige Vorschläge macht. Begeistert, wenn man einen ihrer Meinung nach großartigen Vorschlag macht. Strahlend, wenn man ihren Vorschlag gut findet. Verlegen, wenn sie einen Fehler einräumen muss. Gequält, wenn sie sich angegriffen fühlt. Das Lächeln, das sie lächelte, als wir ihr unseren Entschluss, neu zu bauen, mitteilten, sah nach einem Siegerlächeln aus.
Als ich Sarah vor dem allerersten Besichtigungstermin in ihrem Büro angerufen hatte, um zu fragen, ob sie mir den Gefallen täte, mit uns das Haus anzuschauen, war ich mir nicht darüber im Klaren gewesen, dass mit diesem Anruf eine der wichtigsten Beziehungen meines Lebens begann.
Hätte damals jemand zu mir gesagt: »Ach, übrigens, die sehr junge, sehr attraktive Frau, deren Nummer du da gerade wählst, ist die Frau, von der dir eines Tages klar werden wird, dass deine materielle Zukunft, dein seelisches Wohlbefinden, also deine gesamte Existenz von ihr abhängt«, vielleicht wäre ich ins Grübeln geraten. Aber ich war ahnungslos. Alles, was ich wusste, war: Dass wir einen Besichtigungstermin für eine Schrottmühle vereinbart hatten. Dass wir jemanden brauchten, der etwas von Häusern verstand und uns sagen konnte, ob es sich lohnt, diese Schrottmühle zu kaufen. Dass Sarah die einzige Architektin weit und breit war, die wir kannten. Das heißt, mein Mann kannte sie gar nicht. Ich kannte sie. Nicht gerade gut, aber immerhin gut genug, um ihre Nummer in meinem Handy gespeichert zu haben.
Sarah und ich hatten vor Jahren mal zusammen in einer von mir gegründeten Frauenfußball-Freizeitmannschaft gespielt. Damals war sie gerade aus Zürich nach Hamburg zurückgekehrt und hatte ihr eigenes Architekturbüro gegründet. Sie war irgendwann aus der Mannschaft ausgestiegen, weil der Job ihr zu wenig Zeit ließ. Danach hatten wir uns noch zwei-, dreimal getroffen. Sarah hatte mir Bilder von den Häusern gezeigt, die sie saniert und gebaut hatte: Die Häuser sahen wunderschön aus. Eine andere Mannschaftskollegin – ebenfalls Architektin, allerdings nicht selbstständig, sondern bei einem großen Immobilieninvestor angestellt – hatte einmal gesagt: »Wenn ich bauen würde, dann mit Sarah. Die macht das schon gut.«
Damals hatte ich es mir nicht bewusst gemacht, erst im Nachhinein wurde mir klar: Sarah erfüllte alle Kriterien, die ein zukünftiger Bauherr auf der Suche nach der geeigneten Architektin oder dem geeigneten Architekten berücksichtigen sollte:
Sie spielte Fußball – Mut zur Eigenwilligkeit gepaart mit Teamgeist und Bodenständigkeit .
Sie musste aus Zeitgründen mit dem Fußballspielen aufhören – hatte sich also offensichtlich mit wachsendem Erfolg selbstständig gemacht.
Wir hatten uns ein paar Mal getroffen – gegenseitige Sympathie.
Wir hatten uns nur ein paar Mal getroffen – Voraussetzung für die nötige professionelle Distanz.
Ich mochte ihren Stil – gleicher Geschmack.
Eine Kollegin hielt sie für kompetent – Empfehlung anderer.
Nur das siebte Kriterium – Erfahrung – erfüllte Sarah nicht zu unserer vollsten Zufriedenheit.
»Sieht toll aus auf dem Papier, euer Haus. Bin gespannt, wie es in echt wird. Hat eure Architektin denn eigentlich schon mal einen Neubau betreut – so von Anfang an, mit Bauleitung und Handwerkerscheuchen und allem Pipapo?«, fragt
Weitere Kostenlose Bücher