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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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so viel Verkehr ist, kann man das leider nicht wirklich testen«, gibt Thomas zu bedenken und bremst, während er sich in den Dubliner Stau einordnet, der durch den grauen verregneten Morgen nicht besser wird.
    Justin drückt auf den Knopf für die Sitzheizung, lehnt sich zurück und spürt schon bald, wie sein Rücken und sein Hinterteil angenehm warm werden. Rasch entledigt er sich seiner Schuhe, kippt den Sitz nach hinten und macht es sich gemütlich, während die Pendler in den Bussen verschlafen und mit unglücklichen Gesichtern durch die beschlagenen Scheiben spähen.
    »Könnten Sie mich nach der Gallery vielleicht in die D’Olier Street bringen? Ich muss jemandem beim Blutspendedienst einen Besuch abstatten.«
    »Kein Problem, Chef.«
     
    Der Oktoberwind schnauft und keucht und versucht die letzten Blätter von den Bäumen zu fegen. Aber sie halten sich fest, als müssten sie mit Mary Poppins um die Stellung bei Familie Banks in der Cherry Tree Lane konkurrieren und dürften sich um keinen Preis wegblasen lassen. Ähnlich wie viele Menschen im Herbst sind die Blätter nicht bereit, den Wechsel der Jahreszeit zu akzeptieren, sondern klammern sich ans Gestrige. Sie konnten nicht verhindern, dass ihre Farbe sich verändert hat, aber jetzt wollen sie sich partout nicht von dem Ort trennen, der im Frühling und Sommer ihre Heimat gewesen ist. Ich sehe, wie ein Blatt schließlich doch loslässt und eine Weile in der Luft herumwirbelt, ehe es zu Boden fällt. Ich hebe es auf und lasse es am Stiel herumkreiseln. Auch mir gefällt der Herbst nicht besonders. Wem macht es schon Freude zuzusehen, wie Dinge, die einmal stark und voller Leben waren, schwach werden und sich der Natur beugen müssen, dieser höheren Macht, die sie nicht kontrollieren können?
    »Da kommt der Wagen«, sage ich zu Kate.
    Wir stehen auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber der National Gallery, hinter den geparkten Autos, im Schatten der Bäume, die sich über die Tore des Merrion Square beugen.
    »Für
den
Schlitten hast du bezahlt?«, staunt Kate. »Du bist wirklich verrückt.«
    »Das ist doch nichts Neues. Genau genommen hab ich aber nur die Hälfte bezahlt. Der Chauffeur ist Frankies Onkel – er ist Chef der Firma. Tu bitte so, als würdest du ihn nicht kennen, wenn er zu uns rüberschaut.«
    »Ich kenne ihn ja auch nicht.«
    »Gut, das ist überzeugend.«
    »Joyce, ich hab den Mann noch nie gesehen.«
    »Wow, das ist
echt
gut.«
    »Wie lange willst du damit eigentlich noch weitermachen, Joyce? Das Ding mit London klang ja ganz lustig, aber eigentlich wissen wir doch nur, dass er Blut gespendet hat.«
    »Und zwar mir.«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Ich weiß es.«
    »Das kannst du gar nicht wissen.«
    »O doch. Das ist ja das Seltsame.«
    Sie sieht keineswegs überzeugt aus und starrt mich mit so einem mitleidigen Gesichtsausdruck an, dass ich richtig wütend werde.
    »Kate, gestern Abend hab ich Carpaccio und Fenchel gegessen und dann Pavarottis
Best of
mitgesungen, fast die ganzen Texte.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, wie du auf die Idee kommst, dass dieser Justin Hitchcock dafür verantwortlich ist. Erinnerst du dich an
Phenomenon
? Da ist John Travolta über Nacht plötzlich ein Genie geworden.«
    »Er hatte einen Gehirntumor, der irgendwie seine Lernfähigkeit gesteigert hat«, fauche ich.
    Inzwischen hat der Mercedes vor dem Tor der Gallery angehalten. Der Chauffeur steigt aus, um für Justin die Tür zu öffnen, dann erscheint Justin, von einem Ohr zum anderen grinsend, und ich freue mich zu sehen, dass die Hypothekenzahlung für nächsten Monat gut angelegt ist. Darüber und über alles andere in meinem Leben mache ich mir Sorgen, wenn die Zeit dazu gekommen ist.
    Immer noch hat er diese Aura, die ich schon bei unserer ersten Begegnung im Friseursalon gespürt habe – eine Präsenz, in der mein Magen in Windeseile ein paar Stockwerke emporklettert und schließlich auch das letzte Leiterchen zum Zehnmeterturm der olympischen Endausscheidung erklimmt. Justin Hitchcock blickt zur Gallery empor, zum Park hinüber, und um seine ausgeprägte Kinnpartie erscheint dieses Lächeln, das meinen Magen veranlasst zu hüpfen, einmal, zweimal, dreimal, und sich dann in die Tiefe zu stürzen, eineinhalb Saltos rücklings und dann ein, zwei, drei halbe Schraubendrehungen, ehe er mit einer Bauchlandung im Wasser aufkommt. Mein unkultivierter Eintritt ins Wasser zeigt, dass ich nicht gerade viel Übung habe im Nervenbündel-Sein.

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