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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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zum Tragen kamen. Ich kann das Thema nicht vertiefen, ohne auf Vermeer, Metsu und de Hooch hinzuweisen, die alle Bilder von Menschen gemalt haben, die lesen, schreiben, Briefe erhalten oder abschicken, wie ich es auch schon in meinem Buch
Das Goldene Zeitalter der niederländischen Malerei
ausgeführt habe. Ter Borch hat für seine Bilder das Briefeschreiben sozusagen als Angelpunkt benutzt, von dem aus er komplexe psychologische Themen darstellt, und seine Werke gehören zu den ersten, die beispielsweise Liebende durch das Thema des Briefs miteinander verbinden.«
    Während der ersten Hälfte seines Satzes studiert er die Frau, die zu spät gekommen ist, während der zweiten die Frau hinter ihr, und dabei fragt er sich, ob sie eine tiefere Bedeutung finden in dem, was er da sagt. Um ein Haar muss er lachen. Erstens: Wie kommt er auf die Idee, dass die Person, der er das Leben gerettet hat, hier sein könnte? Zweitens: Warum sollte es eine junge Frau sein, die drittens auch noch attraktiv ist? Was verspricht er sich denn eigentlich von dieser ganzen Sache?
     
    Ich schiebe Sams Wagen über den Merrion Square, und sofort verlassen wir das georgianische Stadtzentrum und gelangen in eine andere Welt, farbenfroh, überschattet von alten Bäumen. All die Orange-, Rot- und Gelbschattierungen des Herbstlaubs schimmern auf dem Boden, und bei jedem sanften Windhauch hüpfen die Blätter ein Stück neben uns her wie neugierige Rotkehlchen. Ich wähle eine Bank an einem stillen Weg und drehe Sams Wagen um, so dass der Kleine mich ansehen kann. In den Bäumen, die den Weg säumen, höre ich Zweige rascheln – Nester werden gebaut, Mittagsfresschen wird vorbereitet.
    Eine Weile betrachte ich Sam, der den Hals reckt, um auch die Blätter ganz oben anzusehen, die sich noch nicht vom Ast trennen wollen. Mit einem winzigen Finger deutet er zum Himmel und macht Geräusche, die fast klingen wie Worte.
    »Baum«, erkläre ich ihm, und er lächelt, ein Lächeln, in dem ich seine Mutter erkenne.
    Der Anblick hat den gleichen Effekt, als hätte mir jemand mit einem schweren Stiefel in den Magen getreten. Ich brauche einen Moment, um wieder Luft zu kriegen.
    »Sam, wenn wir nun schon mal hier sind, sollten wir etwas besprechen«, sage ich.
    Sein Lächeln wird breiter.
    »Als Erstes muss ich mich bei dir entschuldigen«, fahre ich fort und räuspere mich. »Ich habe dir in letzter Zeit nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, was? Es ist so …« Ich lasse den Satz unvollendet und warte, bis der Mann, der gerade vorbeikommt, außer Hörweite ist. »Es ist nämlich so«, fahre ich dann mit gedämpfter Stimme fort, »es ist so, dass ich es eine Weile nicht ertragen konnte, dich anzuschauen …« Ich halte inne, während Sams Lächeln immer breiter wird.
    »Oh, warte mal.« Ich beuge mich zu ihm, nehme die Decke weg und löse den Sicherheitsgurt. »Komm doch mal zu mir.« Behutsam hebe ich ihn aus seinem Buggy und nehme ihn auf den Schoß. Sein kleiner Körper ist ganz warm, und ich drücke ihn an mich. Seine samtweichen Haare riechen süß, und er fühlt sich so weich und anschmiegsam an in meinen Armen, dass ich ihn noch fester halten möchte. »Es ist nur so«, wiederhole ich ganz leise und dicht an seinem Kopf, »dass es mir fast das Herz gebrochen hat, dich anzuschauen, denn jedes Mal, wenn ich dich gesehen habe, musste ich daran denken, was ich verloren habe.« Er schaut mich an und gibt mir eine munter geplapperte Antwort. »Aber wie konnte ich nur jemals Angst davor haben, dich anzuschauen?« Ich küsse ihn auf die Nase. »Ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen, aber du bist nicht mein Baby, und das ist so schwer.« Tränen füllen meine Augen, und jetzt lasse ich ihnen freien Lauf. »Ich habe mir einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen gewünscht, damit es so ist wie bei dir, wenn du lächelst – die Leute sollten sagen: ›Schaut doch, wie ähnlich er seiner Mummy sieht.‹ Vielleicht hätte das Baby meine Nase oder meine Augen. Das hat man immer zu mir gesagt, dass ich aussehe wie meine Mum. Und das höre ich so gern, Sam. Weil ich sie vermisse und jeden Tag an sie erinnert werden möchte. Aber dich anzuschauen war anders. Ich wollte nicht jeden Tag daran erinnert werden, dass ich mein Baby verloren habe.«
    »Ba-ba«, sagt Sam.
    Ich schniefe. »Ba-ba ist nicht mehr da, Sam. Sean hätte es geheißen, wenn es ein Junge gewesen wäre, ein Mädchen wollte ich Grace nennen.« Ich wische mir die Nase.
    Nicht im

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