Ich hab dich im Gefühl
steige ein, und wir ziehen gleichzeitig die Tür hinter uns zu. Der Fahrer und mein Dad glotzen mich an.
»Was denn?«, frage ich mit wild pochendem Herzen. »Was ist los?«
»Deine Haare«, sagt Dad nur mit verdutztem Gesicht. »Du siehst aus wie ein Junge.«
Acht
Als das Taxi sich meinem Haus in Phisboro nähert, verkrampft sich mein Magen.
»Das war lustig, dass der Mann vor uns sein Taxi auch hat warten lassen, Gracie, stimmt’s?«
»Joyce. Und ja«, antworte ich, und meine Beine zittern nervös.
»Machen das die Leute heutzutage oft, wenn sie sich die Haare schneiden lassen?«
»Was machen sie dann oft, Dad?«
»Dass sie ein Taxi draußen warten lassen.«
»Keine Ahnung.«
Er rutscht auf der Sitzbank ganz nach vorn und beugt sich dicht zum Taxifahrer. »Wissen Sie das vielleicht, Jack? Ob die Leute sich heute so die Haare schneiden lassen?«
»Wie?«
»Dass sie solange ihr Taxi warten lassen?«
»Bisher hat das bei mir noch niemand gemacht«, erklärt der Fahrer höflich.
Zufrieden lehnt Dad sich wieder zurück. »Hab ich’s mir doch gedacht, Gracie.«
»Ich heiße Joyce«, blaffe ich.
»Joyce. Es ist also ein Zufall. Und weißt du, was man über Zufälle sagt?«
»Ja.« Wir biegen um die Ecke in meine Straße, und mein Magen will sich umdrehen.
»Es gibt keine Zufälle«, fährt Dad fort, obwohl ich deutlich zu erkennen gegeben habe, dass ich Bescheid weiß. »Ganz bestimmt nicht«, murmelt er vor sich hin. »Zufälle gibt’s nicht. Da ist ja Patrick!«, ruft er und winkt. »Hoffentlich versucht er nicht zurückzuwinken.« Er beobachtet seinen Freund aus dem Monday Club, der sich mühsam fortbewegt, beide Hände auf seinem Gehwagen. »Und David führt den Hund aus.« Wieder winkt er, obwohl David stehen geblieben ist, um den Hund sein Geschäft erledigen zu lassen, und in die andere Richtung schaut. Ich habe das Gefühl, dass Dad sich hier im Taxi ganz schön toll vorkommt. Er fährt selten Taxi, weil es zu teuer ist und er alles, was er braucht, zu Fuß oder mit dem Bus erreichen kann.
»Home sweet home«, verkündet er. »Wie viel schulde ich Ihnen, Jack?« Wieder beugt er sich vor und zieht zwei Fünf-Euro-Scheine aus der Tasche.
»Ich fürchte, das reicht nicht ganz … zwanzig Euro bitte.«
»Was?« Schockiert sieht Dad ihn an.
»Ich zahle, Dad, steck dein Geld ruhig wieder ein.« Ich gebe dem Fahrer fünfundzwanzig Euro und sage ihm, es stimme so. Dad sieht mich an, als hätte ich ihm gerade sein Glas aus der Hand genommen und sein Bier weggeschüttet.
Als Conor und ich vor zehn Jahren geheiratet haben, sind wir in das rote Backsteinhaus in Phisboro eingezogen. Die Häuser stammen aus den vierziger Jahren, und im Lauf der Zeit haben wir eine Menge Geld in die Modernisierung gesteckt. Jetzt ist es endlich so, wie wir es haben wollten – jedenfalls war es das bis diese Woche. Ein schwarzer Zaun umgibt einen kleinen Vorgarten, in dem die Rosenbüsche, die meine Mutter gepflanzt hat, wachsen und gedeihen. Dad wohnt zwei Straßen weiter in einem identischen Haus, dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin – obwohl man ja nie ganz mit dem Wachsen aufhört und ständig lernt –, und wenn ich dort bin, fühle ich mich augenblicklich in meine Kindheit zurückversetzt.
In dem Moment, als das Taxi wegfährt, kommt Dads Nachbarin Fran aus meiner Haustür und lächelt mich an. Unsicher betrachtet sie uns und wendet jedes Mal schnell die Augen ab, wenn unsere Blicke sich zu treffen drohen. Daran muss ich mich wahrscheinlich in nächster Zeit gewöhnen.
»Oh, deine Haare!«, sagt sie als Erstes und nimmt sich dann schnell zusammen. »Tut mir leid, Liebes, ich wollte eigentlich längst weg sein, bis ihr heimkommt.« Jetzt öffnet sie die Tür ganz und zieht ein kariertes Einkaufswägelchen hinter sich her. An der rechten Hand hat sie einen Gummihandschuh.
Dad macht einen nervösen Eindruck und vermeidet es, mich anzusehen.
»Was machen Sie denn hier, Fran? Wie in aller Welt sind Sie in mein Haus gekommen?« Zwar versuche ich höflich zu sein, aber dass jemand ohne meine Erlaubnis in meinem Haus war, überrascht und ärgert mich kolossal.
Fran errötet und sieht meinen Dad an. Der schaut auf seine Hände hinunter und hüstelt verlegen. Auch Fran senkt den Blick, lacht nervös und zieht den Gummihandschuh aus. »Oh, dein Vater hat mir einen Schlüssel gegeben. Ich dachte … na ja, ich hab dir einen hübschen kleinen Läufer in den Flur gelegt. Hoffentlich gefällt er dir.«
Völlig
Weitere Kostenlose Bücher