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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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und blinkt. Ich durchquere die Küche. Von hier führt die Tür in den Garten. Auch die rückwärtige Hauswand wird von den Rosenbüschen meiner Mutter gesäumt. Dads Geranien stecken die Köpfe aus der Erde.
    Immer noch pocht das Kinderzimmer dort oben.
    Jetzt erst bemerke ich, dass das rote Licht des Anrufbeantworters im Flur blinkt. Vier Nachrichten. Ich klicke mich durch die Liste der gespeicherten Nummern und erkenne meine Freundinnen. Aber ich gehe schnell wieder weg, denn ich bin noch nicht bereit, mir ihre Beileidsbezeugungen anzuhören. Doch dann erstarre ich. Gehe zurück. Klicke die Liste noch einmal durch. Da ist es. Montagabend. 19 Uhr 10 . Noch einmal um 19 Uhr 12 . Meine zweite Chance, das Gespräch anzunehmen. Der Anruf, wegen dem ich so unvorsichtig die Treppe heruntergerannt bin und das Leben meines Kindes aufs Spiel gesetzt habe.
    Der Anrufer hat eine Nachricht hinterlassen. Mit zitternden Fingern drücke ich auf Play.
    »Hallo, hier ist Xtra-Vision, Phisboro, wegen der DVD von der
Muppets Weihnachtsgeschichte
. Unser System sagt, sie müsste schon seit einer Woche wieder bei uns sein. Wir wären dankbar, wenn Sie sie so bald wie möglich zurückbringen könnten. Danke.«
    Ich hole tief Luft, meine Augen füllen sich mit Tränen. Was habe ich erwartet? Einen Anruf, der es wert wäre, dafür ein Baby zu verlieren? Etwas Dringendes, das meine überstürzte Eile im Nachhinein rechtfertigt? Würde das meinen Verlust irgendwie leichter machen?
    Mein ganzer Körper zittert vor Wut und Schock. Mit weichen Knien gehe ich ins Wohnzimmer, direkt zum DVD -Player. Obendrauf liegt die DVD , die ich fürs Babysitten bei meiner Patentochter ausgeliehen habe. Ich greife danach, halte sie fest in der Hand, drücke sie, als könnte ich das Leben darin konservieren. Dann schleudere ich sie heftig durchs Zimmer. Sie fegt unsere Fotosammlung vom Klavier, zerbricht das Glas unseres Hochzeitsbilds und zerkratzt den Silberrahmen eines anderen.
    Ich öffne den Mund. Und schreie, schreie aus vollem Hals, so laut ich kann. Der Schrei ist tief und lang und voller Schmerz. Noch einmal schreie ich und schreie weiter, so lange ich kann. Ein Schrei nach dem anderen, aus der Magengrube, aus der Tiefe meines Herzens. Ein Heulen, das fast ein Lachen sein könnte, zum Bersten angefüllt mit Frustration und Verzweiflung. Ich schreie und schreie, bis ich außer Atem bin und mein Hals brennt wie Feuer.
    Oben pulsiert das Kinderzimmer immer noch. Bum-bum, bum-bum. Wild und ungestüm klopft das Herz meines Zuhauses und lockt mich zu sich. Ich gehe zur Treppe, über den Läufer, auf die Stufen, hangle mich am Geländer nach oben, denn meine Beine sind zu kraftlos, um mich allein hinaufzutragen. Mit jedem Schritt wird das Pochen lauter, bis ich die letzte Stufe geschafft habe und vor der Tür des Kinderzimmers stehe. Das Pochen verstummt. Jetzt ist alles still.
    Langsam strecke ich die Hand aus und berühre mit dem Finger die Tür, drücke meine Wange dagegen und wünsche mir mit aller Kraft, dass das, was passiert ist, nicht passiert ist. Dann greife ich nach der Klinke und öffne die Tür.
    Eine halb gestrichene Wand in »Butterblumentraum« begrüßt mich. Sanfte Pastellfarben. Süßer Geruch. Ein Bettchen, über dem ein Mobile mit kleinen gelben Entchen baumelt. Eine Spielkiste, verziert mit großen Buchstaben. An einer Stange hängen zwei winzige Bodys. Stiefelchen stehen auf einer Kommode.
    In dem Bettchen sitzt ein Häschen, glotzt mich fasziniert und dämlich lächelnd an. Ich ziehe die Schuhe aus, trete barfuß auf den dicken weichen Teppich und versuche mich in der Welt zu verwurzeln. Leise schließe ich die Tür hinter mir. Kein Laut ist zu hören. Ich nehme das Häschen auf den Arm und fahre mit einer Hand über die glänzenden neuen Möbel, die Kleider, die Spielsachen. Vorsichtig öffne ich eine Spieldose und sehe zu, wie die kleine Maus darin zu einem hypnotisierenden Geklimper um ein Stück Käse herumzulaufen beginnt.
    »Tut mir leid, Sean«, flüstere ich, und die Worte bleiben mir fast im Hals stecken. »Es tut mir so wahnsinnig leid.«
    Dann lasse ich mich auf den weichen Teppich sinken, ziehe die Beine an und umarme das selig unwissende Häschen. Wieder betrachte ich die Maus, deren ganzes Wesen nur damit befasst ist, hinter einem Stück Käse herzulaufen, das sie niemals erreichen, geschweige denn fressen wird.
    Entschlossen knalle ich den Deckel zu, die Musik verstummt, und ich bleibe allein in der Stille

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