Ich hab dich im Gefühl
diesem Menschen bringt mich ganz durcheinander. Er macht mich unruhig. Vielleicht ist nur die Aussicht schuld, womöglich gleich jemandem erklären zu müssen, dass ich kein Baby kriegen werde. Ja, nach Wochen ununterbrochenen Babygeschwätzes wird es kein Baby vorzuweisen geben, und ich habe ein schlechtes Gewissen, als hätte ich meine Freunde und meine Familie betrogen. Als hätte ich sie absichtlich an der Nase herumgeführt. Ein Baby, das nie kommen wird. Beim Gedanken daran wird mein Herz schwer.
Lächelnd hält er mir die Tür zum Salon auf. Ein attraktiver Mann. Frisches Gesicht. Groß. Breit. Athletisch. Perfekt. Strahlt er mich jetzt auch noch an? Dann kenne ich ihn bestimmt.
»Danke«, sage ich.
»Gern geschehen.«
Wir halten beide inne, sehen einander an, blicken zu den Taxis hinüber, die am Straßenrand warten, und wieder zurück zu uns. Ich glaube, dass er noch etwas sagen will, aber ich wende mich hastig ab und gehe hinein.
Außer uns sind keine Kunden da, zwei Angestellte sitzen herum und plaudern. Beides Männer, einer mit Vokuhila, der andere blond gebleicht. Als sie uns sehen, springen sie eifrig auf.
»Welchen wollen Sie?«, fragt mich der Mann aus dem Mundwinkel. Er hat einen amerikanischen Akzent.
»Den Blonden«, antworte ich ebenso.
»Dann nehme ich den Vokuhila«, sagt er.
Ich muss lachen.
»Hallo, ihr zwei Turteltäubchen«, ruft der Vokuhila-Mann und eilt auf uns zu. »Wie kann ich euch helfen?« Sein Blick wandert zwischen dem Amerikaner und mir hin und her. »Wer kriegt denn heute die Haare gemacht?«
»Tja, wir beide, denke ich. Richtig?« Er sieht mich fragend an, und ich nicke.
»Oh, Entschuldigung, ich dachte, ihr gehört zusammen.«
Auf einmal merke ich, dass sich unsere Hüften fast berühren, so nahe stehen wir nebeneinander. Beide schauen wir gleichzeitig hin, dann treffen sich unsere Blicke, und wir machen schnell einen Schritt zur Seite, in entgegengesetzte Richtungen.
»Ihr solltet es mal mit Synchronschwimmen probieren«, lacht der Friseur, aber der Scherz verpufft, weil keiner von uns darauf eingeht. »Ashley, nimm du die hübsche junge Dame. Und Sie können mir bitte folgen«, fügt er, an den Amerikaner gewandt, hinzu und führt ihn zu einem der Friseurstühle. Der Ami schneidet eine Grimasse in meine Richtung, während auch ich mich zu einem Stuhl komplimentieren lasse, und ich lache wieder.
»Gut, ich möchte die Haare gern fünf Zentimeter kürzer haben«, sagt er. »Als ich das letzte Mal beim Friseur war, hat man mir einen halben Meter abgeschnitten. Diesmal aber bitte nur fünf Zentimeter«, betont er noch einmal. »Draußen wartet mein Taxi, ich muss zum Flughafen, deshalb wäre ich dankbar, wenn es möglichst schnell geht.«
Sein Friseur lacht. »Klar, kein Problem. Fliegen Sie zurück in die Staaten?«
Der Mann verdreht die Augen. »Nein, nicht zurück nach Amerika, ich fliege auch nicht in Urlaub, und ich hole auch niemanden ab, ich fliege einfach. Weg. In Irland kriegt man wirklich viele Fragen gestellt.«
»Ach tatsächlich?«
»J…«, setzt er an, unterbricht sich aber mitten im Wort und sieht den Friseur mit zusammengekniffenen Augen an.
»Erwischt«, lacht der und deutet mit der Schere auf ihn.
»Stimmt«, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Auf frischer Tat ertappt.«
Ich muss wieder lachen, und sofort sieht der Amerikaner mich wieder an. Er macht einen leicht verwirrten Eindruck. Vielleicht kennen wir uns ja tatsächlich. Vielleicht ist er ein Kollege von Conor. Vielleicht bin ich mit ihm zur Schule gegangen. Oder aufs College. Vielleicht ist er im Immobiliengeschäft, und wir hatten irgendwann mal ein gemeinsames Projekt. Aber das kann nicht sein, er ist Amerikaner. Vielleicht habe ich ihm ein Haus gezeigt. Vielleicht ist er berühmt, und ich sollte ihn nicht so anstarren. Auf einmal schäme ich mich und wende mich ab.
Mein Friseur legt mir einen schwarzen Umhang um, und ich werfe im Spiegel schnell noch einen verstohlenen Blick auf den Amerikaner. Wieder begegnen sich unsere Blicke. Ich schaue weg, dann wieder zu ihm. Jetzt schaut er weg. Die gesamte Dauer unseres Friseurbesuchs halten wir dieses Tennismatch durch.
»Und was kann ich denn für Sie tun, Madam?«, fragt der Blonde.
»Alles ab«, antworte ich und versuche, mich nicht im Spiegel anzuschauen, aber dann spüre ich kühle Hände auf meinen heißen Wangen, und als ich unwillkürlich den Kopf hebe, bin ich gezwungen, mir direkt ins Gesicht zu sehen.
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