Ich hab dich im Gefühl
die Wände mit Postern zugepflastert hatte. Der Teppich ist braun mit Kringeln in einem helleren Braunton und hat Flecken von verschüttetem Parfüm und Make-up. Neu hinzugekommen sind die abgeschabten braunen Lederkoffer oben auf dem Schrank, die seit Mums Tod dort Staub ansammeln. Dad verreist nie. Schon vor langem ist er zu der Erkenntnis gekommen, dass das Leben ohne Mum für ihn anstrengend und fremd genug ist.
Die letzte Neuerung ist die Tagesdecke. Wobei neu bedeutet, dass sie gut zehn Jahre alt ist. Mum hat sie gekauft, als mein Zimmer zum Gästezimmer ernannt wurde. Im Jahr vor ihrem Tod bin ich hier aus- und mit Kate zusammengezogen, aber ich wünsche mir jeden Tag, ich hätte das nicht getan. All die kostbaren Tage, an denen ich nicht von Mums langgezogenem Gähnen aufgewacht bin, das nach einer gewissen Zeit regelmäßig in ein Singen überging, bevor sie sich in Selbstgespräche verwickelte und sozusagen ihr verbales Tagebuch führte, während im Hintergrund Gay Byrnes Radiosendung lief. Mum liebte Gay Byrne, und ihr größter Ehrgeiz im Leben war es, ihn einmal zu treffen. Am nächsten kam sie diesem Traum, als sie und Dad Tickets für einen Publikumsplatz in
The Late Late Show
bekamen, und Mum hat noch Jahre danach davon erzählt. Ich glaube, sie war in Gay Byrne verliebt. Dad hasste ihn. Vermutlich wusste er, dass Mum ein bisschen in ihn verschossen war.
Aber jetzt hört er ihn selbst gern. Ich glaube, das erinnert ihn immer an eine besonders schöne Zeit mit Mum, fast so, als würde er Mums Stimme hören, obwohl alle anderen meinen, es ist Gay Byrne. Seit sie gestorben ist, umgibt Dad sich mit den Dingen, die sie geliebt hat. Jeden Morgen, wenn Gay Byrne kommt, stellt er das Radio an, er sieht sich Mums Lieblingssendungen im Fernsehen an, er kauft bei seinem wöchentlichen Einkauf ihre Lieblingskekse, obwohl er sie früher nie gegessen hat, nur weil er sie so gerne im Schrank liegen sieht, wenn er die Tür aufmacht, genau wie ihre Zeitschriften neben seiner Tageszeitung. Er stellt gern ihre Hausschuhe neben ihren Sessel vor dem Kamin, sozusagen als Erinnerung, dass nicht die ganze Welt kaputtgegangen ist. Manchmal brauchen wir einfach so viel Klebstoff wie nur möglich, um nicht auseinanderzufallen.
Mit seinen fünfundsechzig Jahren war er einfach zu jung, um seine Frau zu verlieren. Mit meinen dreiundzwanzig war ich auch zu jung, um meine Mutter zu verlieren. Sie hätte nicht mit fünfundfünfzig sterben dürfen, aber der Krebs, dieser Zeiträuber, der erst viel zu spät erkannt wurde, hat sie uns gestohlen, uns allen. Dad hatte für seine Generation erst spät geheiratet und war schon zweiundvierzig, als ich auf die Welt kam. Ich glaube, dass ihm vorher jemand das Herz gebrochen hat. Er hat nie über sie gesprochen, und ich habe ihn auch nie danach gefragt, aber er sagt immer, dass er länger auf Mum gewartet hat, als er wirklich mit ihr zusammen war – aber dass diese Zeit jede Sekunde aufwiegt, in der er nach ihr gesucht und die er sie später vermisst hat.
Mum hat Conor nie kennengelernt, aber ich weiß nicht, ob sie ihn gemocht hätte. Natürlich wäre sie viel zu höflich gewesen, um sich etwas anmerken zu lassen. Mum mochte ganz verschiedene Menschen, aber vor allem diejenigen, die Lebensfreude und Energie besaßen und diese auch ausstrahlten, Menschen, die lebten und Leben versprühten. Conor ist sympathisch. Immer nur sympathisch. Nie übermäßig aufgeregt. Oder aufregend. Er ist sympathisch, was ja nur ein anderes Wort für nett ist. Wenn man einen netten Mann heiratet, führt man mit ihm eine nette Ehe, aber mehr auch nicht. Und gegen nett ist nichts einzuwenden, wenn es von anderen Dingen flankiert wird, aber nicht, wenn es alleine steht.
Dad kann sich mit jedem unterhalten, egal wann und wo, und hat trotzdem keine Meinung über ihn oder sie. Das einzig Negative, was er jemals über Conor gesagt hat, war: »Na ja, welcher Mann mag denn schon
Tennis
?« Dad, der selbst ein Fußball- und Hurlingfan ist, spuckte das Wort Tennis aus, als könnte er sich daran den Mund schmutzig machen.
Dass wir kein Kind bekamen, machte Dads Meinung nicht besser. Wenn ein Schwangerschaftstest mal wieder nicht den ersehnten blauen Streifen produzierte, gab er dem Tennis die Schuld daran, vor allem den engen weißen Shorts, die Conor manchmal trug. Natürlich sagte er das nur, um mich aufzuheitern. Manchmal funktionierte es sogar, manchmal auch nicht, aber es war unverfänglich, da jeder wusste, dass
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