Ich hab dich im Gefühl
Vielleicht hat sie den Whiskey angeschleppt, aber streng genommen war es Frankie, die mir den Mund aufgehalten und mich mit dem Zeug abgefüllt hat. Da diese Version der Geschichte aber nie verbreitet wurde, denkt er, Frankie ist eine Heilige. Sehr zu Kates Ärger.
»Dann nehme ich das Turnen morgen«, sage ich und lächle, während der Kinderchor sich immer mehr ins Zeug legt. Dann ist Kate weg, und Stille tritt ein.
» GRACIE !«, brüllt Dad wieder.
»Ich heiße
Joyce
, Dad.«
»Ich hab das Wortspiel!«
So schnell ich kann, laufe ich zu meinem Bett zurück und stecke den Kopf unter das nächstbeste Kissen.
Ein paar Minuten später steht Dad in der Tür und erschreckt mich zu Tode.
»Ich war der Einzige, der das Wortspiel rausgekriegt hat. Die Teilnehmer hatten keine Ahnung. Trotzdem hat Simon gewonnen und macht morgen weiter. Seit drei Tagen gewinnt er jetzt schon, ich kann ihn nicht mehr sehen. Ein echt komischer Typ, du würdest dich schieflachen. Ich glaube, Carol mag ihn auch nicht, und sie hat schon wieder ziemlich abgenommen. Magst du einen HobNob? Ich mach noch ’ne Tasse Tee.«
»Nein danke.« Ich ziehe das Kissen wieder über den Kopf. Er benutzt so viele
Wörter
.
»Na, ich trink jedenfalls einen Tee. Beim Lunch hab ich nämlich meine Pillen vergessen, die muss ich jetzt noch nehmen.«
»Du hast beim Lunch doch eine Tablette geschluckt, weißt du das nicht mehr?«
»Das war die für mein Herz. Jetzt meine ich die fürs Gedächtnis. Fürs Kurzzeitgedächtnis.«
Ich nehme das Kissen vom Gesicht, um nachzusehen, ob er es ernst meint. »Und du hast vergessen, sie zu nehmen?«
Er nickt.
»Ach, Dad.« Ich fange an zu lachen, aber er starrt mich an, als hätte ich einen hysterischen Anfall. »Du bist Medizin genug für mich. Na ja, aber
du
brauchst stärkere Pillen, denn die jetzigen wirken anscheinend nicht, was?«
Beleidigt wendet er mir den Rücken zu und geht grummelnd den Korridor hinunter. »Und ob die wirken. Vorausgesetzt, ich vergesse nicht, sie zu nehmen.«
»Dad!«, rufe ich ihm nach, und er bleibt oben an der Treppe stehen. »Danke, dass du mir keine Fragen wegen Conor stellst.«
»Klar, brauch ich auch nicht. Ich weiß ja, dass ihr im Handumdrehen wieder zusammen sein werdet.«
»Nein, bestimmt nicht«, entgegne ich leise.
Er kommt wieder ein bisschen näher. »Hat er was mit einer anderen?«
»Nein. Und ich übrigens auch nicht. Wir lieben uns einfach nicht mehr. Schon seit längerer Zeit.«
»Aber du hast ihn geheiratet, Joyce. Hab ich dich nicht selbst zum Altar geführt?« Verwirrt sieht er mich an.
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Ihr habt euch im Haus des Herrn ein Versprechen gegeben, ich hab es mit eigenen Ohren gehört. Was ist mit euch jungen Leuten heutzutage bloß los, dass ihr euch dauernd trennt und huschhusch jemand anderes heiratet? Ist es etwa aus der Mode gekommen, ein Versprechen zu halten?«
Ich seufze. Was soll ich denn darauf antworten? Er macht sich wieder auf den Weg zur Treppe.
»Dad?«
Er bleibt stehen, aber ohne sich umzudrehen.
»Ich glaube, du denkst manchmal nicht an die Alternative. Meinst du wirklich, es ist besser, wenn ich mein Versprechen halte und bei Conor bleibe, obwohl ich ihn nicht liebe und unglücklich bin?«
»Wenn du glaubst, dass deine Mutter und ich eine perfekte Ehe geführt haben, dann irrst du dich, denn so was gibt es überhaupt nicht. Kein Mensch ist dauernd glücklich, Liebes.«
»Das verstehe ich ja. Aber was, wenn man nie glücklich ist? Überhaupt nie?«
Ich habe den Eindruck, dass er sich das zum ersten Mal durch den Kopf gehen lässt, und ich halte die Luft an, bis er schließlich antwortet: »Ich glaube, ich hol mir jetzt einen HobNob.«
Auf dem halben Weg die Treppe hinunter ruft er rebellisch herauf: »Und zwar einen mit Schokolade!«
Zwölf
»Ich bin im Urlaub, Justin, warum schleppst du mich ins Fitnessstudio?« Halb gehend, halb hüpfend versucht Al mit seinem schlanken Bruder Schritt zu halten.
»Ich hab nächste Woche ein Date mit Sarah«, erzählt Justin, während er unverdrossen weiterstürmt, »und ich muss wieder in Form kommen.«
»Mir war gar nicht aufgefallen, dass du
nicht
in Form bist«, keucht Al und wischt sich die Schweißtropfen von der Stirn.
»Die Scheidungswolke hat mich daran gehindert, Sport zu treiben.«
»Die Scheidungswolke?«
»Nie davon gehört?«
Atemlos und unfähig zu sprechen schüttelt Al den Kopf und wabbelt dabei mit seinem Doppelkinn wie ein Truthahn.
»Die
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