Ich hab dich im Gefühl
erhofften heilenden Superkräfte freisetzt, wenn ich mich bei meinem Dad im Nest verkrieche, denn jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse und jemandem begegne, geht es von vorne los. Nicht nur das ganze Trara drumherum, nein, ich muss alles noch einmal fühlen, und das ist wesentlich ermüdender als Worte. In Kates und Frankies Armen könnte ich mich ganz einfach in das Baby verwandeln, das sie in Gedanken liebkosen, aber ich tue es nicht, denn ich weiß, wenn ich jetzt damit anfange, höre ich nie, nie wieder damit auf.
Wir sitzen ein Stück von den anderen Eltern entfernt. Ein paar sitzen in Grüppchen zusammen, aber die meisten nutzen die kostbare Zeit allein zum Lesen oder Nachdenken oder schauen einfach nur ihren Sprösslingen zu, wie sie auf den blauen Gummimatten herumrollen. Ich entdecke Kates Kinder, den sechsjährigen Eric und meine fünfjährige Patentochter Jayda, für die ich die DVD mit der
Muppets Weihnachtgeschichte
ausgeliehen hatte. Aber ich habe mir geschworen, dass ich ihr deshalb nicht böse sein werde. Voller Begeisterung hüpfen die Kleinen herum, zirpen wie ein Heer von Grillen, zupfen ihre Unterwäsche aus der Falte zwischen den Pobacken und stolpern über lose Schnürsenkel. Der elf Monate alte Sam schläft neben uns in seinem Wagen, Spuckebläschen auf den Lippen. Ich betrachte ihn liebevoll, dann erinnere ich mich wieder an das, was ich erlebt habe, und schaue schnell weg. Ach, die Erinnerung. Kann einen einfach nicht in Frieden lassen.
»Wie geht’s auf der Arbeit, Frankie?«, frage ich, denn ich wünsche mir so, dass alles ist wie immer.
»Viel zu tun, wie immer«, antwortet sie, und ich spüre, wie ich ein schlechtes Gewissen kriege und ein bisschen verlegen werde.
Ich beneide sie um ihre Normalität, vielleicht sogar um ihre Langeweile. Ich beneide sie darum, dass ihr Heute so war wie ihr Gestern.
»Immer noch billig ein- und teuer verkaufen?«, meldet Kate sich zu Wort.
Frankie rollt die Augen. »Seit zwölf Jahren, Kate.«
»Ich weiß, ich weiß.« Kate beißt sich auf die Lippen und versucht nicht zu lachen.
»Zwölf Jahre hab ich den Job jetzt, und seit zwölf Jahren sagst du das. Es ist nicht mal mehr ansatzweise lustig. Genau genommen fand ich es nie lustig, und trotzdem packst du den Spruch immer wieder aus.«
Kate lacht. »Das kommt nur, weil ich absolut nicht kapiere, was du eigentlich machst. Irgendwas an der Börse, oder?«
»Corporate Treasury and Investor Relations«, erklärt Frankie.
Kate starrt sie ratlos an und seufzt dann tief. »So viele Worte, und letztlich sitzt du doch auch nur den ganzen Tag am Schreibtisch.«
»Oh, entschuldige mal, was machst du denn den ganzen Tag? Popos abwischen und Biobananensandwichs machen?«
»Es gibt auch noch andere Aspekte im Job einer Mutter, Frankie«, schnaubt Kate. »Ich habe die Verantwortung, drei menschliche Wesen so aufs Leben vorzubereiten, dass sie, wenn mir – was Gott verhüten möge – etwas zustößt oder wenn sie erwachsen werden, fähig sind, allein zu funktionieren und in der Welt selbstständig und erfolgreich zurechtzukommen.«
»Und du zerdrückst Biobananen«, fügt Frankie hinzu. »Nein, nein, warte, passiert das vor oder nach der Vorbereitung aufs Leben? Vorher bestimmt.« Sie nickt. »Ja, unbedingt erst Bananen matschen, dann aufs Leben vorbereiten. Kapiert.«
»Ich wundere mich doch nur, dass man hundert Wörter braucht, um einen Schreibtischjob zu beschreiben.«
»Ich glaube, es sind tausend.«
»Aber ich hab nur eines. Ein einziges Wort.«
»Hmm, ich weiß nicht. Ist Mitfahrdienst ein Wort oder sind es zwei? Joyce, was denkst du?«
Ich halte mich raus.
»Was ich sagen will, ist, dass das Wort ›Mum‹, ein winziges Wörtchen, mit dem man jede Frau mit Kind bezeichnet, es nicht schafft, all die Pflichten zu beschreiben, denen eine Mutter täglich nachgeht«, erwidert Kate leicht irritiert. »Wenn ich das in deiner Firma jeden Tag machen würde, wäre ich wahrscheinlich schon Geschäftsführerin.«
Mit einem lässigen Schulterzucken gibt Frankie zurück: »Sorry, aber ich glaube, das ist mir ziemlich egal. Für meine Kollegen kann ich natürlich nicht sprechen, aber ich persönlich möchte Bananensandwichs lieber nur für mich selber machen und mir ausschließlich meinen eigenen Popo abwischen.«
»Echt?« Kate zieht eine Augenbraue hoch. »Es überrascht mich, dass du dafür nicht irgendeinen armen Mann engagierst, den du unterwegs aufgelesen hast.«
»Nein, ich suche immer noch
Weitere Kostenlose Bücher