Ich hab dich im Gefühl
eng wird, und jetzt ist der Weg zur Tür endgültig blockiert. In der Hand hält er eine Cola und eine Riesenpackung Chips.
»Sag es ihm, Justin.« Doris verschränkt die Arme vor der Brust und trommelt mit ihren langen grellrosa Fingernägeln auf ihre dünnen Arme.
Justin stöhnt. »Was soll ich ihm sagen?«
»Erinnere ihn bitte an die Herzprobleme in eurer Familie, damit er es sich wenigstens zweimal überlegt, ehe er sich dieses Zeug da reinpfeift.«
»Was denn für Herzprobleme?« Justin greift sich an den Kopf, denn von der anderen Seite redet Jennifer immer noch ununterbrochen auf ihn ein, als wäre sie Charlie Browns Lehrerin. Er versteht nur Bahnhof.
»Dein Vater ist an einem Herzanfall gestorben«, ruft Doris ungeduldig.
Justin erstarrt.
»Der Arzt hat aber nicht gesagt, dass mir das notwendigerweise auch passieren muss«, verteidigt sich Al.
»Aber er hat dich darauf hingewiesen, dass du gute Chancen hast. Weil so was in eurer Familie schon vorgekommen ist.«
Justin hört seine eigene Stimme, als käme sie von weit her. »Nein, nein, ich glaube ehrlich nicht, dass du dir deswegen Sorgen machen musst, Al.«
»Siehst du?« Triumphierend sieht Al seine Frau an.
»Der Arzt hat aber was anderes gesagt, Schätzchen. Wir müssen vorsichtiger sein, wenn so was in der Familie liegt.«
»Nein, so was liegt aber nicht in der …« Justin bricht ab. »Hört mal, ich muss jetzt wirklich gehen.« Wieder versucht er sich aus der Loge zu drängen.
»Nein, du gehst nicht«, ruft Jennifer und stellt sich ihm in den Weg. »Du gehst nirgendwohin, bevor du dich nicht bei Laurence entschuldigt hast.«
»Ist schon in Ordnung, Jen«, meint Laurence hilflos.
Ich
nenne sie Jen, nicht
du!
»Nein, das ist überhaupt nicht in Ordnung, Schatz.«
Ich
bin ihr Schatz, nicht
du!
Von allen Seiten dringen Stimmen auf Justin ein, bla, bla, bla, er versteht kein Wort. Ihm ist heiß, er schwitzt, allmählich wird ihm schwindlig.
Plötzlich verlöschen die Lichter, die Musik setzt ein, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu setzen, neben die wutschnaubende Jennifer, den beleidigten Laurence, den stummen Peter, die besorgte Doris und den hungrigen Al, der inzwischen ungehemmt und lautstark seine Chips mampft, direkt neben Justins linkem Ohr.
Seufzend blickt er zu Joyce hinauf.
Hilfe.
Anscheinend hat sich die Meinungsverschiedenheit in Mr Hitchcocks Loge geklärt, aber als das Licht ausgeht, stehen sie alle noch. Als es wieder heller wird, sitzen sie mit versteinerten Gesichtern nebeneinander, nur der dicke Mann hinten scheint sich an seiner Riesentüte Chips zu freuen. In den letzten Minuten habe ich Dad ignoriert und mich stattdessen auf meinen Crashkurs im Lippenlesen konzentriert. Wenn ich richtig verstanden habe, ging es in dem Gespräch unter anderem um Ben Stiller und gegrillte Bananen.
Tief in meinem Innern hämmert mein Herz wie eine Djembe-Trommel, und die dumpfen Schläge reichen tief in meinen Brustkorb hinein. Ich spüre es im Hals, ein lautes Pochen, und alles nur, weil er mich gesehen hat, weil er zu mir kommen wollte. Ich bin erleichtert, dass es etwas gebracht hat, meinem Instinkt zu folgen, so flüchtig er auch gewesen sein mag. Ich brauche ein paar Minuten, bis ich mich wieder auf etwas anderes als nur auf Justin konzentrieren kann, aber als meine Nerven sich etwas beruhigt haben, wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen auf der Bühne zu, wo Bea mir den Atem raubt und mich mit ihrer Leistung zu Tränen rührt. Ich schniefe und schnüffle wie eine stolze Tante. Auf einmal steht mir klar vor Augen, dass im Moment die einzigen Menschen, die diese wundervollen Erinnerungen an den Tag im Park ihr Eigen nennen, Bea, ihre Mutter und ihr Vater sind – und ich.
»Dad, kann ich dich was fragen?«, flüstere ich und lehne mich zu ihm.
»Er hat dem Mädchen grade gesagt, dass er sie liebt, aber sie ist die Falsche«, erklärt er mir und rollt mit den Augen. »So ein Volltrottel. Das Schwanenmädchen war weiß, und diese hier ist schwarz. Die sehen sich nicht mal ähnlich.«
»Sie könnte sich ja für den Ball umgezogen haben. Niemand hat jeden Tag das Gleiche an.«
Dad mustert mich von oben bis unten. »Letzte Woche hast du genau an einem einzigen Tag was anderes angehabt als deinen Bademantel. Überhaupt – was ist eigentlich los mit dir?«
»Hmm, es ist so, dass ich, äh, dass etwas passiert ist, und na ja …«
»Jesses, spuck’s aus, bevor ich noch mehr verpasse.«
Ich
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