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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Justin?
Wieder höre ich die Stimme der Frau in meinem Kopf und frage mich, ob Frankies Theorie, dass ich die Welt durch seine Augen sehe, wohl richtig ist.
    Dad ist vollkommen fasziniert. »Wir haben die besten Plätze im ganzen Saal, Liebes, schau doch!« Vor lauter Begeisterung beugt er sich so weit über die Brüstung, dass ihm um ein Haar die Kappe vom Kopf fällt. Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn zurück. Behutsam holt er Mums Foto aus der Tasche und stellt es auf den mit Samt beschlagenen Balkonrand. »Wirklich die allerbesten Plätze«, wiederholt er mit Tränen in den Augen.
    Über das Lautsprechersystem werden die Zuspätkommenden um Beeilung gebeten, und endlich erstirbt die Kakophonie im Orchestergraben, das Licht verlöscht, und der Zauber beginnt. Der Dirigent klopft aufs Pult, und schon beginnt das Orchester mit der Ouvertüre zu Tschaikowskis Ballett. Abgesehen davon, dass Dad hörbar schnaubt, als der Haupttänzer in Strumpfhosen auf der Bühne erscheint, läuft alles glatt, und wir sind beide hingerissen von
Schwanensee
. Ich wende den Blick ab von der Feier zur Mündigkeit des Prinzen und betrachte die Leute in den Logen. Licht fällt auf ihre Gesichter, sie blicken fasziniert auf die Tänzer, und ihre Augen tanzen mit ihnen. Es ist, als hätte man eine Spieluhr geöffnet, und nun strömen Musik und Licht heraus, verzaubern die Zuschauer, schlagen sie in den Bann. Durchs Opernglas studiere ich weiter die Menschen, von links nach rechts, eine Reihe unbekannter Gesichter, aber dann … ich reiße die Augen auf, denn da ist plötzlich ein bekanntes Gesicht! Der Mann aus dem Friseursalon, von dem ich aus Beas Lebenslauf im Programm weiß, dass er ihr Vater ist und Hitchcock heißt.
Justin Hitchcock?
Er beobachtet die Bühne, beugt sich noch weiter über die Brüstung als mein Vater, als wollte er sich gleich hinunterstürzen.
    Dad knufft mich in die Seite. »Würdest du mal aufhören, ständig in der Gegend rumzuglotzen? Konzentrier dich lieber auf die Bühne. Er will sie umbringen.«
    Gehorsam wende ich mich wieder der Aufführung zu und versuche, meine Aufmerksamkeit auf den Prinzen zu richten, der da mit seiner Armbrust rumhüpft. Aber es geht nicht. Eine magnetische Anziehungskraft lenkt meinen Blick zurück zu der Loge, denn es interessiert mich brennend, mit wem Mr Hitchcock dort sitzt. Mein Herz pocht so laut, dass ich erst jetzt merke, dass es nicht zu Tschaikowskis Musik gehört. Neben Justin sitzt die Frau mit den langen roten Haaren und den Sommersprossen, die in meinen Träumen die Kamera hält. Auf der anderen Seite wird sie flankiert von einem freundlich wirkenden Herrn, und hinter ihnen drängeln sich ein junger Mann, der unbehaglich an seiner Krawatte zupft, eine Frau mit einem roten Lockenkopf und ein großer dicker Mann zusammen. Ich blättere durch meine Erinnerung wie durch einen Stapel Fotos. Ist das der rundliche Junge aus der Sprinklerszene und von der Wippe? Vielleicht. Aber die anderen beiden kenne ich nicht. Rasch richte ich die Augen wieder auf Justin Hitchcock und lächle. Sein Gesicht ist für mich wesentlich spannender als das Geschehen auf der Bühne.
    Auf einmal verändert sich die Musik, das Licht, das auf seinem Gesicht reflektiert, flackert, und sein Ausdruck wechselt. Sofort ist mir klar, dass Bea auf die Bühne gekommen ist, und auch ich wende mich wieder dorthin. Da ist sie auch schon, inmitten eines Schwanenschwarms, der sich graziös und in völligem Gleichklang bewegt, gekleidet in ein weißes, eng anliegendes Oberteil und einen langen, fedrig ausgezackten Tutu. Ihre langen blonden Haare sind zu einem Knoten hochgesteckt und von einem akkuraten Kopfputz bedeckt. Ich erinnere mich an das Bild von ihr im Park, ein kleines Mädchen, das im Tutu herumwirbelt, und großer Stolz erfüllt mich. Wie weit sie es gebracht hat. Wie erwachsen sie geworden ist. Tränen steigen mir in die Augen.
     
    »Oh, schau doch, Justin«, flüstert Jennifer neben ihm.
    Er schaut. Er kann die Augen nicht von seiner Tochter abwenden, die dort unten mit dem Schwanenschwarm tanzt, perfekt synchron, keine falsche Bewegung. Sie sieht so erwachsen aus, so … wie ist das nur passiert? Es kommt ihm vor wie gestern, dass sie im Park gegenüber von ihrem Haus für ihn und Jennifer herumgehüpft ist, ein kleines Mädchen im Tutu, mit Träumen und Flausen im Kopf, und jetzt … Seine Augen werden feucht, und er sieht Jennifer an, um den Augenblick mit ihr zu teilen, aber sie greift nach

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