Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Teeny-Meinung geändert. Im Sommer nämlich hatte sie ihre Ader für Outdoor-Abenteuer in einem Feriencamp auf Korsika entdeckt. Ein anstrengender Bergmarsch mit Primitivübernachtung hatten ihren Ehrgeiz angespornt. Dazu kam dann die Ankündigung der Lehrerin, im Deutschunterricht den Themenblock Reiseliteratur auch auf Berichte über den Camino auszudehnen.
Zu dritt erkunden wir nun Villafranca. Nach dem Zimmerbeziehen geht es mit den beiden auf die Plaza Mayor. Das erste Pilgermenü und erste Pilgergespräche an einem lauen Sommerabend stehen an. Zuhause in Deutschland ist schon kühler Herbst und sie genießen die spanische Sonne.
Schnell stehen auf dem Marktplatz die Tischemit anderen Pilgern zusammen. Eine furchtbar besserwisserische Dame aus dem östlichen Teil Deutschlands, eine junge Bayerin sowie eine schon altbekannte Dänin geben den staunenden Neupilgern gute und blöde Tipps. Ich halte mich zurück. Jetzt bin ich wieder Ehemann und Familienvater und die nächsten 192 Kilometer auf dem Jakobsweg gehören meiner Familie. In zwei Tagen in Triacastela schließt sich für mich der Kreis und ich betrete dann den Teil des Camino, den ich vor drei Jahren schon einmal begangen habe. Mein Camino ist dann rund.
Die Ossi-Tante versucht hartnäckig, den anderen am Tisch auf den Frack zu gehen und stellt zur allgemeinen Verblüffung kategorisch fest: „Ich habe zwölf Kilo im Rucksack, und damit alles, was man braucht. Ich werde oft dafür beneidet, was ich alles dabei habe!“ Herzlichen Glückwunsch! Soll also heißen: „Ihr anderen seid doof und habt zu wenig dabei.“ Das betont die klassische Vertreterin der Kategorie Nervpilgerin auch gern mehrmals. Kurioserweise ist ihr Pilgerdasein trotz all dieser beeindruckenden Perfektion allerdings der zweite Versuch: Im Frühjahr musste sie nach einigen Wochen mit blutigen Füßen aufgeben und nach Hause fliegen. Nun, mit genesenen Fußsohlen, macht sie den erneuten Versuch, die Strecke fortzusetzen. Dass ihr Scheitern mit zu viel Gepäck zu tun haben könnte, mag sie nicht erkennen. Ein bisschen Klugheit hätte ihr wohl eine MengeSchmerzen und einen gescheiterten Jakobswegversuch erspart. Ein Psychiater würde sich jetzt wohl fragen, warum die Frau sich bis aufs Blut bekämpft. Pilgern kann schlau machen, muss aber nicht .
Und sprenge mit dem Blut des Sündopfers an die Seite des Altars, und lasse das übrige Blut ausbluten an des Altars Boden. Das ist das Sündopfer, 3. Mose 5.9
34. Tag von Villafranca nach Las Herrerias
So, die ersten 21 Kilometer als Pilgerfamilie sind im Kasten. Stetig leicht bergauf und leider viel an der Straße entlang, haben wir heute ein enges Tal und viele kleine Dörfchen durchschritten. Wir sind bewusst langsam mit ein paar Pausen gegangen -und mit Erfolg: Keine Überforderung und keine Blasen an Tag eins. Einfach nur müde Beine und Füße, wie sich das gehört. Auch meine Tochter als Teeny schlägt sich prächtig. Sie ist sportlich, hat Spaß und außer dem Wunsch nach einem eigenen Zimmer mit Bad keine Ansprüche. Ganz der Vater.
Obwohl wir viel an den Straßen entlang marschiert sind, war der Weg heute erfreulicherweise kein bisschen gefährlich. Nur wenig Verkehr ist in dem tief eingeschnittenen Talunterwegs. Zudem war der Camino mit einer Leitplanke von der Straße sauber abgetrennt.
Die Serie der abwechslungsreichen Begegnungen auf dem Camino bricht auch nicht ab, wenn man als Familie unterwegs ist: In einer netten Bar kommt es schon nach kurzem Kontakt zur Verbrüderung mit Handschlag und Umarmung mit zwei älteren spanischen Senores. Einer sagt vom Nachbartisch ein deutsches „Auf Wiedersehen“, als wir uns aufmachen wollen. Dann erzählt er auf Spanisch, dass er 1973 in der Schweiz als Mechaniker gearbeitet hat und auch in Deutschland war. Er habe inzwischen aber alles Deutsch vergessen. Immerhin, verständigen können wir uns noch, und der Mann freut sich wirklich, mal ein paar deutsche Wörter aus seinen guten alten Zeiten zu hören.
Wir finden nachmittags ein tolles Rural -wieder ein wunderschön renoviertes altes Natursteinhaus mit Balkendecken. Herrliche Zimmer und Bäder, Fünf-Sterne-Niveau für gerade einmal 30 Euro pro Nase im Einzel- und Doppelzimmer. Wer hier für acht Euro im Schlafsaal pennt, verpasst etwas. Nach einem Spaziergang durchs Dorf - von 30 Grad Tagestemperatur kühlt es abends schnell ab - gibt es ein leckeres Menü, das vom Gastwirtspaar selbst gekocht und serviert wird.
Hier in Las Herrerias
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