Ich habe mich verträumt
ich hoffte inständig, dass er nicht die Absicht hegte, eine durchschnittlich große Frau in einem Loch in seinem Keller festzuketten und so lange auszuhungern, bis er ihre Haut zu einem neuen Kleid vernähen könnte, wie der Typ aus Das Schweigen der Lämmer .
Der Einbrecher probierte es ein weiteres Mal an der Tür. Okay, Kumpel, dachte ich. Genug ist genug. Zeit, die Polizei zu rufen . Selbst wenn er kein Mörder war, so suchte er doch offensichtlich ein Haus zum Einbrechen. Gut, ich hatte zwei Gin Tonic getrunken (oder waren es drei gewesen?), und Trinken war nicht gerade meine Stärke, aber trotzdem. Egal, von welcher Seite ich es betrachtete, die Aktivitäten am Nachbarhaus wirkten verdammt noch mal verdächtig. Der Mann ging jetzt hinter das Haus, vermutlich, um erneut einen Zugang zu finden. Wie auch immer. Zeit, meine Steuergelder sinnvoll zu nutzen und die Polizei zu rufen.
„Hier Notrufzentrale, bitte geben Sie Ihren Notruf ab.“
„Hallo, wie geht es Ihnen?“, fragte ich.
„Haben Sie einen Notfall zu melden, Ma’am?“
„Oh, na ja, wissen Sie, ich bin nicht sicher“, erwiderte ich und kniff die Augen zusammen, um den Einbrecher besser beobachten zu können. Allerdings sah ich ihn nicht mehr, weil er hinter dem Haus verschwunden war. „Ich glaube, in das Haus neben meinem wird eingebrochen. Ich wohne Maple Street 34 in Peterston. Grace Emerson.“
„Einen Moment, bitte.“ Ich hörte das Rauschen eines Funkgeräts im Hintergrund. „Eine Streife ist in Ihrer Nähe, Ma’am“,sagte die Frau nach einer Weile. „Und wir werden gleich eine Einheit losschicken. Was genau sehen Sie gerade?“
„Äh, gerade jetzt sehe ich nichts. Aber vorhin hat er … die Bude ausspioniert.“ Ich zuckte zusammen. Die Bude ausspioniert? Wer war ich, Tony Soprano? „Ich meine, er ist um das Haus gegangen und hat Türen und Fenster ausprobiert. Es wohnt dort niemand, wissen Sie?“
„Danke, Ma’am. Die Polizei müsste jeden Augenblick da sein. Soll ich so lange am Telefon bleiben?“, wollte sie wissen.
„Nein, ist schon gut.“ Ich wollte nicht wie eine Memme wirken. „Vielen Dank.“ Ich legte auf und kam mir einigermaßen heldenhaft vor. Hallo, ich bin eine echte Nachbarschaftswache!
Von der Küche aus konnte ich den Mann nicht mehr sehen, also schlich ich ins Esszimmer (ups, leicht schwankend … vielleicht waren es doch drei Gin Tonic gewesen). Durch das Fenster war nichts zu erkennen und ich hörte auch keine Sirene. Wo waren die Polizisten nur? Vielleicht wäre ich doch besser in der Leitung geblieben. Was, wenn der Einbrecher merkte, dass es drüben nichts zu holen gab, und dann auf die Idee käme, hier zu suchen? Ich hatte viele nette Sachen. Das Sofa hatte fast zwei Riesen gekostet. Mein Computer war das Neueste vom Neuen. Zu meinem letzten Geburtstag hatten Mom und Dad mir einen exzellenten Plasmafernseher geschenkt.
Ich sah mich um. Also gut, es war vielleicht ein bisschen blöd, aber ich würde mich sicherer fühlen, wenn ich … nun ja, nicht gerade bewaffnet wäre, aber etwas in der Art. Ich besaß keine Pistole, dafür war ich nicht der Typ. Mein Blick fiel auf den Messerblock. Nein … das schien mir dann doch übertrieben. Gut, ich hatte zwei Gewehre auf dem Dachboden, ganz zu schweigen vom Bajonett und all dem anderen Bürgerkriegszeug, aber wir benutzten nur Platzpatronen, und ich konnte mir nicht vorstellen, jemanden mit dem Bajonett aufzuspießen, egal, wie viel Spaß ich beim Nachstellen solcher Kampfszenen auch haben mochte.
Ich schlich ins Wohnzimmer, öffnete den Schrank und wog meine Optionen ab. Bügel– ungeeignet. Schirm– zu leicht. AberMoment mal. Da hinten lag mein alter Feldhockeyschläger aus der Highschool. Aus Gründen der Nostalgie hatte ich ihn all die Jahre aufgehoben, um mich an die kurze Zeit meines Athletendaseins zu erinnern, und jetzt war ich froh. Es war nicht gerade eine Waffe, aber dennoch ein Schutz. Perfekt.
Angus lag mittlerweile schlafend auf dem roten Samtkissen in seinem Körbchen in der Küche. Er hatte sich auf den Rücken gerollt, die haarigen Pfoten in die Luft gestreckt, den Unterüber den Oberkiefer gepresst und wirkte nicht gerade so, als könnte er im Notfall zur unersetzlichen Hilfe werden. „Reiß dich am Riemen“, flüsterte ich. „Niedlich zu sein ist nicht alles, weißt du?“
Er nieste, und ich duckte mich. Hatte der Einbrecher das gehört? Vielleicht sogar mein Telefongespräch? Ich wagte einen Blick aus dem Esszimmerfenster
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